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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister
Autoren: Roland Krause
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hätte, sie käme wieder, hat sie gemeint.
    Die Giese hat gleich verstanden. Dass sie nicht mehr telefonieren durfte, hat sie zähneknirschend hingenommen. Ihre Augen hasserfüllt.
    An den Fenstern drücken sich Kinder die Nasen platt.
    Draußen steht ein Streifenwagen. Sie übergeben die Frau zwei Uniformierten und schauen zu, wie sie wegfahren.
    Die Giese schaut nicht zurück. Schlussbild.
    Einen kehligen Schrei lässt die Wiesner, der den Tarzan zusammenfahren lässt. Sie reckt die Fäuste gen Himmel. Vögel fliegen erschrocken auf, ein Raubtier befürchtend.
    »Kriegsruf«, meint sie, bevor sie ins Auto steigen.
    »Gemma heute noch was trinken?«, will ihr Begleiter wissen.
    »Ich besauf mich ned mit Kollegen.«
    »Kaffee?«
    »Du bist hartnäckig. Hast mit deim Spezl um eine Fanta gewettet?«
    »Nogger.«
    »Das krieg ich, und den Kaffee zahlst auch.«
    »Im Botanischen Garten gibt’s fei a Venusfliegenfalle, die is grad so drauf wie du.«
    »Wenn du ein Pflanzenflüsterer bist, solltest dich zu uns versetzen lassen. Die Yuccapalme tät’s freuen.«
    »Ihr seids ein total abdrahter Haufen. Ich müsst narrisch sein.«
    »Dann passt’s ja.«
    Der Mann lässt den Motor an.
    Die Wiesner zündet sich eine Zigarette an. Genug. Sie mag nichts mehr verdecken mit Geplapper.
    Tarzan an ihrer Seite schaut zufrieden aus.
    Sie wünschte sich, dass es ansteckend sein könnte, wie eine Influenza. Nur einmal. Das Hochgefühl ist schlagartig ausgeknipst. Der Kare wird in Harlaching gerade zuschauen, wie sie ein junges Madl aus dem Beton kratzen. Und die Fendt hat sich von der Brücke gestürzt. Dunkel wird es und nichts da zum Festhalten. Als hätte der Aschenbrenner sie auf dem Tisch gehabt und ausgehöhlt.
    »Zuerst muss ich noch was erledigen«, sagt sie. »Wegen dem Bruder von der Janine, dem Fetzner Pascal. Da fahr ich jetzt hin. Du musst nicht mitkommen.«
    »Doch«, hört sie den Tarzan murmeln, »muss ich.«
    Der Morgen danach, quasi epilogische Zeitrechnung.
    Westbrucks Marching Song dröhnt durch Sandners Wohnung. Schräge, herausgestoßene Klänge, die herunterpeitschen, ein Gewitterregen, nah und unvermittelt. Requiem.
    Weil er kein Abohat, ist der Sandner allein aufgewacht.
    Früh morgens war sie rausgehuscht, die Fähe, aus seinem Bau. Die Apfelmaid hat das Talent, ihn an den Augenblick zu fesseln, mit ihrer Haut und ihrer Präsenz, als wäre schon die nächste Minute nur noch ein leeres Blatt Papier. Viel Frau hat er sich genommen und viel Wein. Weil – er hat kein Seelenpflaster gebraucht, nur etwas zum Desinfizieren, bevor der Schlaf mit einem Mal seine Gier aufs Lebendige niedergehauen hat.
    Die Meldung vom tragischen Geschehen auf der A95 hat er sich im Radio angehört. Sie hat niemanden mitgenommen, die Fendt. Direkt vor einem Tiertransporter war sie aufgeschlagen. Dem Boandlkramer hat dieser Bissen ausnahmsweise gereicht. Fahrer und hundertsechsundfünfzig Schweine sind unverletzt geblieben. Aufschub für die Viecher. Ois is relativ. Ob du zum Schnitzel gemetzgert wirst oder als Kadaver auf der Standspur flackst, ist bar jeder individuellen Relevanz.
    Der Muck hat ihm die Mailbox vollgemault. Nach den ersten Worten hat er das Handy angewidert ausgemacht.
    Auch sein Anrufbeantworter hat den ganzen Morgen Wörter aufschlürfen dürfen. Satt hat er vor sich hin geblinkt. Mit der Löschtaste hat der Sandner die Verdauung eingeleitet. Pinkeln, waschen, fressen, saufen, all das, was ein Tier vollbringen kann. Für das Menschendasein kann sich der Sandner nicht erwärmen. Kein Gefühl will er spüren und keinen Gedanken, der sich festbeißen könnte. Gedankenzecken. Vegetieren ist Anstrengung genug. So lässt er den halben Vormittag verstreichen – Josephus vulgaris –, bevor er sich aufrappeln kann in puncto Lehnharter, respektive seiner Gattin. Ein hartes Stück Arbeit, bis er Schlag zwölf beim Hauswart im Wohnzimmer warten kann.
    Die Frau Lehnharter hat nichts dagegen gehabt, wie er gemeint hat, er möchte bei ihnen zu Hause auf ihren Mann warten. Sie hat ihm die Fernbedienung für den Fernseher gegeben und noch einen Kaffee aufgebrüht. Einen Bienenstich hatte sie aufgetaut, sehr schmackhaft.
    Der Sandner ist froh gewesen, dass sie ihm nicht zu guter Letzt Lehnharters Pantoffeln hergekramt hatte.
    Erleichtert hat sie ausgesehen, dass ihren Mann wer behätscheln mag, als sie losgezogen ist mit den Nachbarinnen, dem neuen Job entgegen. Ob der Sandner sie ersetzen kann, ist mehr als fragwürdig. Aber er ist
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