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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unter den Olmeken gewütet, nachdem der Koloß verschwunden war, und das unterirdische Gewölbe hatte sich in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt.
    Ich wußte nicht, welche Seite den Sieg davongetragen hatte
    , vermutlich die unsere, wofür die Tatsache sprach, daß ich noch am Leben war. Irgendwann hatte mich Setchatuatuan einfach am Arm ergriffen und mich aus der Höhle und hinauf ans Tageslicht gezerrt.
    Aber auch hier oben gab es keinen Frieden mehr. Das Olmeken-Heer hatte mit seinem Angriff auf Aztlan begonnen.
    Selbst durch die meterdicken Mauern hindurch waren das Klirren der Waffen und die gellenden Kampfschreie der Indios zu hören, die die Stadt berannten, und daß man von dem eigentlichen Kampf nichts sehen konnte, machte es eher noch schlimmer.
    Ich ließ mich mit einem erschöpften Keuchen auf die Knie sinken, als wir aus dem Tunnel heraus waren. Neben mir brach einer der beiden Indios zusammen, und auch Setchatuatuan hockte sich auf einen Fels und preßte seine blutende Linke unter die Achselhöhle. Sein Gesicht war eine Maske des Schmerzes. Er taumelte und schien kaum mehr die Kraft zu haben, sich auf den Beinen zu halten.
    »Wir … müssen weiter«, murmelte er. Er machte eine müde Kopfbewegung in die Richtung, aus der der Kampflärm drang. »Das Heer wartet auf uns. Es ist noch nicht vorbei.«

    Ich sah auf. Mir war übel, und die Schwäche wurde allmählich übermächtig. Ich begriff nur langsam, was Setchatuatuans Worte zu bedeuten hatten.
    »Du willst …«
    »Eine bessere Chance bekommen wir nie«, unterbrach mich der Olmeke. »Du kannst dich uns anschließen, aber du mußt es nicht. Geh, wenn du willst, aber ich werde hinuntergehen und die Männer anführen. Sie warten auf mich.«
    »Aber Erickson ist tot!«
    »Aztlan wird fallen«, beharrte Setchatuatuan stur. »Meine Brüder werden nicht eher ruhen, bis diese Stadt vernichtet ist.
    Mit allem, was je darin gelebt hat.«
    »Du … du bringst sie um«, murmelte ich. Eine feine Stimme schien mir zuzuflüstern, wie zwecklos meine Worte waren: Man kann nicht ungeschehen machen, was längst geschehen ist. Trotzdem fuhr ich fort: »Es ist nicht mehr nötig, Setchatuatuan. Du opferst die Männer sinnlos. Erickson ist besiegt. Für immer.«
    Setchatuatuan wischte meine Worte mit einer heftigen Bewegung beiseite. »Er vielleicht, aber nicht diese Stadt. Ich weiß, was du sagen willst, spare dir deine Worte. Wir werden Aztlan vernichten.«
    »Aber …«
    Laß ihn, Robert Craven, wisperte die Stimme hinter mir. Du kannst die Zeit nicht besiegen. Niemand kann das.
    Ich schwieg. Setchatuatuan hatte die Worte auch diesmal nicht gehört, und ich wußte plötzlich, daß die Stimme recht hatte. Ich wußte jetzt auch, wem sie gehörte.
    Der Olmekenprinz starrte mich noch einen Herzschlag lang an, stand dann mit einer abrupten Bewegung auf und deutete auf die Bresche in der Stadtmauer zurück. »Kommst du mit?«
    Ich schüttelte stumm den Kopf, und Setchatuatuan nickte, als hätte er nichts anderes erwartet. »Dann lebe wohl, Fremder. Und nimm meinen Dank für deine Hilfe.«
    Ich wollte noch etwas sagen, aber Setchatuatuan drehte sich um, wartete, bis sich seine Begleiter ebenfalls erhoben hatten und neben ihn getreten waren und ging mit langsamen, aber festen Schritten auf die Stadtmauer zu.
    Ich war nicht überrascht, als die Gestalt vor mir erschien.
    Es war ein Mann. Ein Riese, über zwei Meter groß und so perfekt geformt, daß es mir nicht schwer fiel, mich an den Gedanken zu gewöhnen, einem leibhaftigen Gott gegenü-
    berzustehen. Oh, er hatte sich verändert, nur entfernt erinnerten seine Züge noch an den unauffälligen jungen Mann, als den ich ihn kennengelernt hatte, und dennoch erkannte ich ihn gleich wieder.
    »Du bist Odin«, sagte ich.
    Er nickte. Ein warmes Lächeln umspielte seine Lippen. »Ja.
    Aber wir können bei Jake bleiben, wenn es dir lieber ist. Du hast deine Aufgabe erfüllt. Ich wußte, daß ich mich nicht in dir täusche.«
    »Warum?« fragte ich müde.
    »Warum?« Odin lächelte. »Du fragst, warum ich es zulasse?«
    »Das Versprechen, das du Hellmark gabst, ist eingelöst«, sagte ich. »Erickson ist tot. Das Ungeheuer ist besiegt.
    Warum muß ein ganzes Volk sterben, Odin?«
    »Auch den Göttern sind Grenzen gesetzt«, antwortete Jake Becker. »Wir sind immer nur so mächtig, wie ihr Menschen es haben wollt. Und auch wir können die Vergangenheit nicht ändern. Oder die Zukunft. Du weißt, was geschehen ist.«
    »Sie werden
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