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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und Quietschen und Quaken, das sich manchmal zu einer entsetzlichen Melodie zu formen schien, jedesmal aber wieder in schrille Dissonanz abkippte, wenn ich glaubte, so etwas wie einen Rhythmus darin zu erkennen.
    Aber die Laute berührten etwas in mir, eine düstere, tief verborgene Seite meiner Seele, etwas wie eine Erinnerung an Dinge, die ich niemals selbst erlebt hatte.
    Ich riß mich gewaltsam aus den Gedanken, tauschte einen letzten Blick mit Setchatuatuan und setzte mit klopfendem Herzen den Fuß auf die oberste Stufe. Das Licht nahm an Intensität zu, als wir langsam in die Tiefe stiegen, ohne dabei wirklich heller zu werden. Ich konnte auch seine Quelle nirgends entdecken: Es war einfach da, als leuchte die Luft selbst in diesem seltsam unheiligen Schein. Die Treppe führte sehr weit in die Tiefe. Ich zählte an die siebzig Stufen, die nach einer Weile nicht mehr aus aufgeweichtem, klebrigem Lehm, sondern aus Felsen bestanden. Schließlich fanden wir uns in einem nur halbhohen, runden Gang wieder, dessen Wände mit groben Zeichnungen und in den Felsen gekratzten Bildern übersät waren. Obgleich ich nur auf den allerwenigsten davon irgendwelche konkreten Formen ausmachen konnte, übten sie doch eine beunruhigende Wirkung auf mich aus, denn vieles von dem, was auf den ersten Blick wie sinnlose Linien und Striche aussah, entpuppte sich bei genauerer Betrachtung als, wenn auch schwer erkennbare, Darstellungen gotteslästerlicher Wesen und rätselhafter Begebenheiten, die alle in einem geheimnisvollen Zusammenhang zu stehen schienen.
    Und sie waren alt, unglaublich alt. Dieser Gang, der so niedrig war, als wäre er für weit kleinere Wesen als Menschen gebaut, mußte erschaffen worden sein, lange bevor Menschen hierhergekommen waren, lange bevor Aztlan entstanden war; und dazu mit Hilfe einer Technik, die ich mir nicht einmal vorzustellen vermochte, denn seine Wände waren glasig und wie poliert, als wäre der ganze Schacht in den Felsen hineingebrannt worden.
    Sehr vorsichtig gingen wir weiter. Niemand sprach. Das grüne Licht begleitete uns, doch auch wenn es den Gang erhellte, verhinderte es zugleich, daß wir sahen, wohin uns unser Weg führte, denn alles, was weiter als zehn Schritte vor uns lag, schien sich hinter einem wogenden grünlichen Vor-hang zu verbergen.
    Dafür wurde der entsetzliche Nicht-Gesang lauter. Nach ein paar Dutzend Schritten steigerte er sich zu einem gräßlich grölenden Chor der unbeschreiblichsten Laute, die auf entsetzliche Weise weder aus Menschen-, noch aus Tierkehlen zu stammen schienen, aber die, und das war das Schrecklichste überhaupt, doch irgendwie einen Sinn ergaben, wenn auch einen, an den ich nicht einmal zu denken wagte. Nach einer Weile begann sich der Gang zu erweitern, so daß wir aufrecht gehen konnten; gleichzeitig nahm die Unversehrtheit seiner Wände und Decken aber in erschreckendem Maße ab: Große, pockennarbig wirkende Löcher gähnten in der grünschwarzen Glasur, viele der blasphemischen Zeichnungen waren beschä-
    digt oder wie von zorniger Hand ganz ausgelöscht, und nach einigen weiteren Dutzend Schritten gelangten wir zu einem unregelmäßig geformten, wohl eher von der Hand der Natur geschaffenen Tunnel, zu dem der Stollen, durch den wir bis jetzt gewandert waren, möglicherweise nur eine künstliche Verlängerung darstellte.
    Wir gingen langsamer, denn auch das grüne Leuchten nahm nun deutlich ab. Dafür gewann der alptraumhafte Gesang immer mehr und mehr an Gewalt und begann selbst meinen Pulsschlag in seinen Takt zu zwingen.
    Ich blieb stehen, um meinen Augen Gelegenheit zu geben, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, und lauschte. Wir mußten der Quelle der entsetzlichen Geräusche und Laute jetzt sehr nahe sein. Immer deutlicher hörte ich diesen fürchterlichen arhythmischen Rhythmus, und dazwischen erklangen Worte, die keine Worte waren, sondern die schiere Verhöhnung jeglicher menschlicher Artikulation. Ngai ngai!
    kreischten die gräßlichen Stimmen. Yiäh Cthulhu fhtagn! Yiäh!
    Cthulhu! Immer und immer wieder.
    Meine Hände begannen zu zittern, und plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, war die Angst da, eine Angst, der ich hilflos ausgeliefert war, denn es war eine Empfindung, die tief in der Seele jedes Menschen verwurzelt ist, etwas Angeborenes und Übermächtiges, gegen das das logische Denken und der Verstand wehrlos sind, ähnlich der Angst vor Feuer, vor Schmerzen und dem Tod, nur viel stärker. Es dauerte lange, bis ich die
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