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Der Sand der Zeit

Titel: Der Sand der Zeit
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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die seine Finger miteinander verbanden, und für einen Moment füllten sich seine Augen mit einem Ausdruck ungläubigen Entsetzens. Die Kreatur taumelte, riß die Arme in die Höhe und fiel rücklings ins Wasser.
    Und die Hölle brach los.
    Alles geschah gleichzeitig. Der Schatten im Wasser wurde größer, die Wellen, die sein titanischer Leib vor sich hertrieb, schneller. Ein zweiter Pfeil sirrte heran, ein dritter, und plötzlich wuchsen hinter den Reihen der Froschkreaturen vier riesige, hörnergekrönte Schatten heran. Erickson stand noch immer so ruhig da, als ginge ihn dies alles nichts an, aber hinter mir brach ein entsetzlicher Tumult los. Ich hatte den flüchtigen Eindruck von miteinander ringenden Leibern, Kämpfenden, aber auch Flüchtenden. Und ich reagierte, ohne zu denken.
    Mit einem blitzschnellen Ruck befreite ich mich aus dem Griff der zweiten Fischkreatur, tauchte unter ihrer zupackenden Froschhand hindurch und rammte dem Ungeheuer mit aller Kraft das Knie in den Leib. Fast im gleichen Augenblick traf meine Handkante das lippenlose Maul des Monsters.
    Aus dem wütenden Schrei der Kreatur wurde ein gepeinigtes Quaken, dann streckte ich es mit einem dritten Hieb endgültig zu Boden. Und der Schatten im See wuchs immer noch. Wie gelähmt starrte ich auf das brodelnde Wasser. Hinter mir tobte ein Kampf, aber ich war unfähig, irgend etwas zu tun, versteinert, gelähmt, betäubt von der entsetzlichen Furcht, mit der mich der Schatten erfüllte, der Schatten, der vor meinen Augen auftauchte.
    Etwas Finsteres, Peitschendes durchbrach die Wasseroberflä-
    che, blieb einen Moment zitternd und triefend in der Luft hängen und klatschte zurück, sich wie eine finstere Schlange windend.
    Ein entsetzliches Gebrüll zerriß die Luft, ein Gebrüll so voller Wildheit und Zorn, daß nicht nur ich mich wie unter Schmerzen krümmte und die Hände gegen die Schläfen preßte.
    Meine Augen quollen vor Entsetzen schier aus den Höhlen, als ich sah, was der See ausgespien hatte.
    Bisher hatte ich nur einen Schatten erkannt, einen Koloß von entsetzlichen Ausmaßen und Formen, trotzdem barmherzig hinter einem Schleier aus Dunst und Wasser und flackerndem Licht verborgen, so daß mir die ganze Scheußlichkeit des Anblicks erspart geblieben war. Jetzt sah ich nur zu deutlich.
    Es war ein Titan. Ein Ungeheuer von jeder Beschreibung spottender Größe und Häßlichkeit, riesig und wabernd, ein Ding ohne feste Konturen, wie ein Nest schwarzer, sich beständig windender Schlangen, ein kriechendes, zuckendes Etwas aus faulendem, schwarzem Schleim mit gigantischen, peitschenden Krakenarmen, von denen jeder einzelne wieder-um aus zahllosen dünnen Fäden gewoben schien, schwarz-glitzernden Nerven gleich, und mit Dutzenden von schnappenden Mäulern. Riesige, gelb lohende Augen starrten auf mich herab, erfüllt von einer Bosheit, die mich auf-schreien ließ.
    Nur mir äußerster Mühe gelang es mir, mich von dem entsetzlichen Anblick loszureißen. Taumelnd fuhr ich herum, hob hilflos die Arme und starrte die kaum weniger schreckliche Szene am Ufer an.
    Setchatuatuans Angriff hatte aus der geordneten Reihe der Cthulhu-Anbeter ein Chaos gemacht. Einige der schrecklichen halbmenschlichen Kreaturen rannten kopflos schreiend durcheinander, andere standen wie erstarrt da und machten nicht einmal einen Versuch, sich zu wehren; aber an einer Stelle wurde auch gekämpft: Gut zwei Dutzend Männer, Olmeken von Ericksons Leibgarde, die plötzlich von scheinbar nirgendwoher aufgetaucht waren, attackierten Setchatuatuan und seine Krieger; genug, um sie aufzuhalten, aber nicht genug, die zu allem entschlossenen Rebellen und die mit ihnen verbündeten Wikinger zu überwältigen. Und trotzdem stand Leif Erickson so gelassen da, als beobachte er ein Theaterstück. Er lächelte sogar, ganz schwach nur, aber unübersehbar.
    Und dann begriff ich.
    Leif Erickson fürchtete sich nicht davor, daß Setchatuatuans Krieger seine Leibwache besiegten. Sie leben vom Tod, echoten die Worte hinter meiner Stirn, die er selbst vor wenigen Stunden zu mir gesagt hatte, oben, in den Höhlen von Tucan. Euer Haß und eure Furcht sind ihre Nahrung.
    Es war ihm gleich, wer den erbitterten Kampf gewann, seine Krieger oder die Setchatuatuans. Was zählte, war die Gewalt, der tobende Kampf ringsum, das Entsetzen und die Schmerzen der Männer, die sich gegenseitig umbrachten.
    Jeder Schwerthieb, der einen der aufständischen Olmeken oder auch einen seiner eigenen Krieger traf,
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