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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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eine Rose in der Hand und sah fröhlich aus. Neben ihr Smiley und Daniel; Daniel trug mit beiden Händen eine schimmernde Sonic. Doc sah er und Simon, Huck und Maud, Puissant, Paddington, Inger und ein Dutzend Bunnies, die auf ihren Schultern eine Sänfte trugen, in der Old Bentley lag und an einer Whiskyflasche schnupperte, Daisy Dayton und die Bachstelze – sie weinte! Kopf an Kopf standen jetzt die Menschen, viele ärmliche, zerlumpte Gestalten, Krüppel, Colors in allen Farben, Luftkissenpontons voller Babys; Polizei drängte sich durch die Menge, Armee, NSA, voran Devlin, ein Megaphon in der Hand, er schrie, dies sei eine nicht genehmigte Demonstration, riß dem Toten die Maske ab, wich entsetzt zurück; welch ein Skandal: eine ungeschminkte Leiche! Photicdriver blitzten, Schallwerfer heulten, die Polizisten, Soldaten und NSA-Leute lösten sich in Nichts auf, die Menge formierte sich zum Trauerzug, stimmte einen Choral an: »Glory, glory, hallelujah!«
    Timothy sah, wie die Bahre angehoben, spürte, wie er hochgerissen wurde, über die Köpfe hinweg, immer höher; stieg er oder fiel er ins Bodenlose? Das mußte das Universum sein: bodenlos, schwerelos. Tiefer Friede durchzog ihn. Ein Gefühl, sich auszubreiten in unendliche, unfaßbare Räume: ein Teil des Alls. Eins mit sich und der Welt, dachte er noch, dann versiegte sein Bewußtsein.
    10.
    Weiß, weiß, weiß.
    Ein Ton. Eine dünne gläserne Glocke.
    Ein Schatten. Fast ein Gesicht.
    Welche Fülle von Licht.
    Welche Finsternis.
    Eine Stimme. Fast unhörbar fern. »Er blinzelt.«
    Wer blinzelt im Jenseits?
    Eine andere Stimme. »Hörst du mich, Tiny?«
    Ich höre. Ich kann nicht sprechen. Nicht einmal die Zunge bewegen. Ein Schreck: Gelähmt? Aber wenn du das denken kannst...
    »Wenn du mich hörst, Tiny, versuche zu blinzeln.«
    Timothy versuchte es. Er spürte nicht, ob sein Lid sich bewegte. Er spürte überhaupt nichts. Aber du hörst, dachte er.
    Nicht wenig für einen, der gerade gestorben ist.
    »Du lebst«, sagte die Stimme. »Habe Geduld. Es wird wieder.«
    Was? – Helle, Schatten, Helle, Schatten ... Nie essen, nie trinken. Nie Schmerzen. Erwachen, eindämmern, erwachen ... Ein Gesicht. Immer wieder dasselbe Gesicht. Eine blonde Frau – Wieviel Zeit verstreicht zwischen zwei Augenblicken: Minuten, Stunden, Tage?
    Die Frau heißt Joan.
    Ich bin so müde.
    »Ausgeschlafen?« sagte der Mann. »Ich bin Ed. Wir wollen versuchen, miteinander zu sprechen. Du hörst mich doch, Tiny?«
    »Ja.« Welch ein Gefühl, wieder die eigene Stimme zu hören. »Mach die Augen auf. Sieh mich an.«
    Timothy hatte ihn noch nie zuvor gesehen. »Wo bin ich?«
    »In Sicherheit. In einer Klinik. Es hat dich schwer erwischt, Tiny, aber du lebst, das ist die Hauptsache. Du mußt nur Geduld haben; es wird noch eine Weile dauern, bis du wieder spazierengehen kannst.« Ed lächelte. Timothy wollte zurücklächeln; bewegte sich sein Gesicht? »Scheint die Sonne?« fragte er. »Ich möchte so gerne die Sonne sehen.«
    »Hier scheint nie die Sonne«, antwortete Ed. »Aber oben auf der Erde zur Zeit auch nicht. Die Nachrichten meldeten Inversionsschichten bis über zweitausend Meter. In diesem Sommer schlägt der Smog besonders hart zu.«
    »Sommer?« fragte Timothy verwundert.
    »Ja, wir sind im Juli. Hast du Schmerzen?«
    »Nein. Nie. Wie kommt das?«
    »Das erkläre ich dir das nächste Mal. Nun schlaf erst wieder.«
    Eine Art künstlicher Winterschlaf, wie Timothy mitbekam. Lange Schlafperioden; er sah es an dem Bart, den Ed sich stehenließ. Jedesmal, wenn er aufwachte, spürte er seinen Körper mehr. Druck im Rücken, in den Beinen, Gefühl in den Fingern, die Bewegungen des Gesichts. Ed setzte sich zu ihm, zumindest vermutete Timothy nach der Perspektive des Gesichts, daß Ed saß. Portionsweise erzählte Ed, was sie mit ihm angestellt hatten: eine Niere transplantiert, einen Lungenflügel, das linke Bein, den rechten Arm, ein neues Herz.
    »Ein junges Herz«, erklärte Ed. »Nun brauchst du den Schrittmacher nicht mehr.«
    Daß er nie Schmerzen hatte, brauchte Timothy nicht zu wundern. Sie hatten seinen Darm in eine Superfabrik für körpereigene Opiate umfunktioniert.
    »Nur zeitweilig«, erklärte Ed. »Irgendwann willst du ja auch mal wieder essen. Aber so produzierst du selbst ausreichend Endorphine; das ist doch besser, als wenn wir dich jeden Tag mit Morphium vollpumpen würden, und du wirst davon nicht süchtig. Vergiß nicht, dein Körper ist eine große Wunde. Wir
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