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Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)

Titel: Der Samenbankraub: und andere unglaubliche Kriminalgeschichten (German Edition)
Autoren: Gert Prokop
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dein neues Bein ist zu lang. Fast zwanzig Zentimeter. Ich weiß, es klingt makaber, aber vielleicht läßt du dir später auch das rechte Bein austauschen?«
    Timothy war in Gedanken versunken. »Dann wäre ich also nicht länger mehr ein Zwerg«, sagte er leise. »Wieviel, sagtest du, zwanzig Zentimeter?«
    »Das kann man noch nicht endgültig sagen.« Ed lächelte. »Du wächst nämlich wieder.«
    »Ich? In meinem Alter?«
    »Endorphine beeinflussen nicht nur die Schmerzempfindung, sie haben vielfache Wirkungen. Wir haben alle getestet; die einzigen, die dir wirklich halfen, waren die Typen Gamma und Omega. Gamma wäre einfacher zu haben gewesen – es wird im Gehirn produziert, wir hätten dir nur Elektroden einpflanzen müssen, um die Hirnrinde zu reizen –, aber wir haben uns für Omega entschieden; wir dachten, es sei nicht so schlimm, wenn du noch ein Stückchen wächst.«
    »Und was war die Alternative?«
    »Starke Beeinträchtigung der Lernfähigkeit und des Erinnerungsvermögens.«
    »Wäre auch nicht schlimm gewesen«, meinte Timothy. »Muß ich noch lernen? Und erinnern –!«
    »Gamma kurbelt aber auch die Milchproduktion an, Tiny! Hättest du lieber Brüste gehabt?«
    11.
    Endlich war es soweit, Timothy durfte Besuch empfangen. Ironsides kam, der legendäre Führer der Minenarbeiterstreiks von Ironwood. Ed hatte Timothy informiert, daß Ironsides jetzt im IK für Sicherheit verantwortlich war. Auch Ironsides war alt geworden, seit Timothy ihn in der »Blackhill«-Katakombe gesehen hatte; Nase und Wangenbeine stachen hervor, die synthetische Haut seiner linken Gesichtshälfte spannte glänzend. Er breitete die Arme aus, als wollte er Timothy an die Brust drücken, dann ließ er sie hilflos fallen; Tränen standen in seinen Augen.
    »Aber du lebst, Tiny!« sagte er. »Du lebst.«
    »Nur wie!« krächzte Timothy, ein Kloß saß ihm in der Kehle. »Nicht einmal die Haut habe ich gerettet.«
    »Dafür den Kopf, und das ist das einzig Wichtige: die kleinen grauen Zellen.«
    »Da kann ich wohl noch von Glück reden, daß ich nicht als Ektopos aufgewacht bin«, knurrte Timothy. »Ach, Ironsides, es ist nicht viel übriggeblieben von dem alten Timothy.«
    »Wie ich von Ed höre, eine ganze Menge. Vor allem hast du deinen Humor nicht verloren.«
    »Galgenhumor«, stöhnte Timothy.
    »Nu mach mal halblang«, rief Ironsides. »Glaube mir, an die neuen Teile gewöhnst du dich schnell. Ich weiß es.« Er zeigte demonstrativ mit der rechten Hand auf sein linkes Bein.
    »Ich trauere ja nicht um mein Fleisch«, erwiderte Timothy. »Aber ich habe doch alles verloren, was mein Leben ausgemacht hat. Vor allem: meine Freunde.«
    Ironsides setzte sich zu ihm. »Du hast auch hier Freunde, Tiny.«
    »Aber niemanden, der mich von früher kennt, und damit niemanden, mit dem ich über die alten Zeiten schwatzen kann. Da ist nichts geblieben, was mich an all die Jahre erinnern könnte, und wenn man ohne seine Biographie leben muß, was bleibt dann von einem?«
    »Schreib deine Biographie auf.«
    »Das hat Ed mir auch schon empfohlen, er meint, es würde mir helfen, mit dem Geschehenen fertig zu werden, aber ich weiß nicht –«
    »Tu es. Wenigstens deine interessantesten Fälle.«
    »Vielleicht«, sagte Timothy. »Ich habe noch keine Vorstellung, was ich mit meinem neuen Leben anfange. Am meisten bedrückt mich, daß ich nie mehr die Sonne sehen soll.«
    »Vielleicht können wir dich eines Tages nach DRAUSSEN schleusen.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das wollte«, sagte Timothy nachdenklich. »Du bist auch geblieben. Nur weil du hier gebraucht wirst? Sind wir noch stark genug, eine fremde Welt zu verkraften?«
    »Fremd?« rief Ironsides. »Dort wird verwirklicht, wovon wir träumen!«
    »Ja, gewiß. Aber die Wirklichkeit sieht bestimmt anders aus als in unseren Träumen. Nein, ich denke, ich bleibe lieber hier. Und bei meinen Träumen.«
    »Du hast doch nicht etwa Angst vor der Wahrheit«, spottete Ironsides, »ausgerechnet du?«
    »Manchmal schon«, sagte Timothy. »Apropos Wahrheit – ich möchte endlich den Rest der Timothy-Truckle-Story erfahren. Mir ist immer noch unklar, wieso ich noch lebe. Den medizinischen Teil hat Ed mir erklärt, aber: Wie habt ihr mich so schnell gefunden? Wie hat man mich überhaupt entdeckt, oder war es Zufall? Wie –«
    »Stopp, stopp!« rief Ironsides. »Erzähl am besten erst einmal, wie du es erlebt hast. Wir haben nämlich auch einen Sack voller Fragen.«
    Ironsides schnitt den Bericht mit.
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