Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde
Autoren: Jutta Beyrichen
Vom Netzwerk:
gerne wütend geworden.
    Doch sie schaffte nicht wirklich, sich über sie ärgern. Sie konnten ja schließlich nichts dafür, dass sie ihre Sachen so einfach herumliegen ließ. Für Überlebenskünstler wie diese Ziegen bedeutete ihre Unachtsamkeit eine Einladung, deshalb war sie selbst schuld an dieser Misere.
    Und es war nun einmal passiert und nicht mehr rückgängig zu machen. Was half es also, zu toben oder zu heulen, dachte Patricia resigniert. Sie musste eben sehen, wie sie ohne die kaputten Sachen und ohne Nahrungsmittel auskam. Irgendwie würde es schon klappen.
    Dallis hatte aufgehört zu grasen und blickte ebenfalls zu den Ziegen hinüber. Ihre Ohren spielten aufmerksam und in ihren dunklen Augen lag Interesse.
    »Ach Dallis«, sagte Patricia leise und ging zu ihr, um ihre Nüstern zu streicheln. »Hoffentlich hab ich dich nicht in eine schlimme Lage gebracht.«
    Dallis schaute sie an und stieß sie spielerisch mit der Nase an. Patricia merkte, wie ein Kloß in ihrer Kehle aufstieg. Das Pony vertraute ihr so uneingeschränkt und sie fürchtete immer mehr, dass sie dieses Vertrauen möglicherweise nicht verdiente. Wie hatte sie sich nur einbilden können, dass sie das alles schaffen würde? Sie war einfach unfähig, für sich und das Pferd zu sorgen, dachte sie. Sie fühlte sich so müde und jetzt meldete sich auch wieder der Durst.
    »Hast du nicht vielleicht eine Ahnung, wie wir Wasser finden sollen?«
    Dallis schnaubte, als ob sie antworten wollte, und rieb ihren Kopf an Patricias Arm.
    Patricia lächelte und streichelte die kleine Stute.
    Und dann kam ihr eine Idee.
    Sie holte den Rucksack. Während sie die Risse notdürftig verknotete, damit sie die restlichen Sachen darin nicht auch noch verlor, bemühte sie sich, nicht genauer hinzusehen, um nicht doch noch wegen des angerichteten Schadens zu jammern. Eine der leeren Wasserflaschen behielt sie dabei allerdings in der Hand.
    Dann nahm sie Dallis beim Zügel und hielt ihr die Flasche hin. »Guck mal, Dallis.« Ihre Stimme klang einschmeichelnd und sie strich der Stute über den Hals, als diese interessiert die Flasche beschnoberte. »Riechst du, was da drin war? Wasser, nicht wahr?« Sie fühlte sich ein wenig albern dabei, aber es war einen Versuch wert.
    Dallis knabberte am Verschluss der Flasche, worauf Patricia Mut fasste. »Ja, sie ist leer, wir haben kein Wasser mehr.« Unaufhörlich streichelte sie Dallis, während sie weiterredete. »Wir müssen unbedingt eine Quelle oder einen Bach finden. Du kannst doch bestimmt wittern, wo so was ist, nicht wahr? Könntest du uns nicht hinführen?« Sie zog behutsam an Dallis’ Zügel und hielt die Flasche so, dass die Stute nun den Hals strecken musste, um sie zu erreichen. »Komm, Süße, hilf mir, Wasser zu finden, ja?« Sie merkte selbst, wie bittend ihr Ton wurde, und sie hoffte aus ganzem Herzen, dass Dallis verstand, was sie von ihr wollte.
    Dallis tat einen Schritt, dann noch einen.
    »Ja, so ist’s gut«, lobte Patricia. »Komm, zeig mir, wo das Wasser ist!«
    Als Dallis zu gehen begann, stolperte Patricia hinter ihr her. Sie wagte nicht, die Stute anzuhalten, um aufsitzen zu können.
    Hoffentlich wusste Dallis, wo sie hinwollte!
    Patricia verlor jedes Zeitgefühl. Irgendwann merkte sie, dass sie sich an Dallis’ Mähne festhielt, während sich ihre puddingweichen Beine mechanisch bewegten. Dallis schien zu spüren, dass Patricia nicht schnell gehen konnte. Sie hielt ein gleichmäßig langsames Tempo und blickte sich häufig nach dem Mädchen um, das halb betäubt neben ihr herwankte.
    Patricia selbst fühlte sich wie unter einer Glasglocke. Die Schmerzen in Kopf, Hals und Gelenken hatten sich zu einem einzigen großen Schmerz vereint. Sie fühlte sich, als würde ihr der Kopf platzen und ihre Beine unter ihr wegklappen. Brennender Durst quälte sie immer mehr, und obwohl sie nach wie vor fror und unter dem kalten Wind wie Espenlaub zitterte, war ihr trotzdem heiß. Alles um sie herum schien hinter einer Wand verschwunden zu sein und sie klammerte sich an Dallis fest, um nicht das einzige reale Wesen hier zu verlieren.
    Wo liefen sie eigentlich hin?
    Egal, beschloss Patricia. Dallis würde schon den richtigen Weg wählen.
    Wie lange es dauerte, wusste Patricia nicht. Sie dämmerte im Laufen vor sich hin, ohne sich dessen bewusst zu sein.
    Aber irgendwann fiel ihr auf, dass sie sich nicht mehr vorwärts bewegten. Dallis war stehen geblieben.
    Warum?
    Patricia hob den Kopf und fuhr sich mit der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher