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Der Ruf der Pferde

Der Ruf der Pferde

Titel: Der Ruf der Pferde
Autoren: Jutta Beyrichen
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ständigen Husten fühlte sich ihre Brust innerlich schon ganz wund an und ihre Kehle schmerzte bei jedem Schlucken wie Feuer. Auch sonst taten ihr jeder Muskel und jedes Gelenk weh. Sie hoffte zwar, dass diese Schmerzen nachließen, wenn sich ihr Körper erst einmal wieder an das Reiten gewöhnt hatte, doch bislang nahmen sie eher noch zu.
    Aber sie riss sich zusammen. Sie durfte jetzt nicht schlappmachen.
    Inzwischen mussten sie ziemlich hoch oben in den Bergen sein. Die Luft war schneidend kalt, aber wenigstens gab es hier fast keinen Nebel mehr. Patricia konnte die dichten Schwaden weiter unten erkennen. Sie hingen über den Tälern und verwandelten die Landschaft, durch die Patricia und Dallis kamen, in ein weißes Meer, aus dem die Berggipfel wie Inseln hervorschauten. Patricia wusste nicht, ob sie sich darüber freuen sollte, denn immerhin versperrten die Nebelbänke alle Sicht nach unten. Falls sich dort irgendwo eine Ponyherde befand, würde sie es nicht einmal bemerken. Sie sagte sich jedoch, dass sie nach Überschreiten dieser Bergkette sicherlich wieder in tiefere Lagen gelangte. Und dort, in den abgeschiedenen Tälern, würden sie hoffentlich auf Ponys treffen.
    Dallis schritt unermüdlich voran, egal, wie steil und unwegsam der Untergrund war. Patricia bewunderte die kleine Stute immer mehr. Auch für sie musste es recht beschwerlich sein, immerhin bewegten sie sich nun schon seit Tagen bergauf durch raues Gelände. Doch Dallis ließ sich keine Erschöpfung anmerken. Lediglich der Dampf, den ihr Atem in der dünnen, kalten Luft bildete, zeugte von einer gewissen Anstrengung. Patricia verstand nun, was Silas gemeint hatte, als er die Highland Ponies als unermüdliche Arbeiter bezeichnete, und sie konnte sich gut vorstellen, dass sie für die armen Bauern früher unverzichtbar gewesen waren.
    Patricia hatte es schon lange aufgegeben, einem bestimmten Weg zu folgen. Es war sowieso zwecklos. Sie wusste ja ohnehin nicht, wo genau sie hinmusste. Also blieb ihr nichts anderes, als einfach auf ihr Glück zu vertrauen, dass ihnen irgendwann schon wilde Ponys begegnen würden. Wenn sie ehrlich zu sich war, musste sie auch zugeben, dass sie gar keine Kraft hatte, Dallis irgendwohin zu lenken. Sie saß eigentlich nur noch auf ihrem Rücken und ließ sich tragen. Gestern noch war sie eine Zeit lang neben der Stute hergelaufen, in der Hoffnung, durch die Bewegung vielleicht weniger zu frieren, aber heute war sie dazu gar nicht mehr imstande, so wie ihre Beine schmerzten. Sie war schon froh gewesen, überhaupt auf Dallis’ Rücken zu gelangen – irgendwie schien die Stute von Tag zu Tag größer zu werden. Als Patricia endlich oben saß, fühlte sie sich ein klein wenig besser – die Körperwärme der Stute, die sie durch ihre Hose an den Beinen spürte, übte eine tröstliche Wirkung aus. Und es war ja auch Blödsinn, dass sie, Patricia, nun unbedingt über den Weg bestimmen musste. Vielleicht fand Dallis durch ihren Instinkt viel eher das Ziel. Sie hatte Dallis während der vergangenen Tage immer wieder von der wilden Herde erzählt, zu der sie sie bringen wollte. Natürlich verstand das Pony nicht die Worte an sich, das war Patricia klar. Aber Dallis hatte bisher immer irgendwie gespürt, was Patricia dachte. Vielleicht wusste sie deshalb schon lange, was das Ziel ihrer Reise war.
    Als sich das Gelände wieder zu senken begann, entschloss sich Patricia, eine Mittagsrast einzulegen. Dallis sollte sich ein wenig verschnaufen, dachte sie. Es ging ja schließlich nicht an, dass sie die Stute den ganzen Tag ohne Pause weiterhetzte. Sie selbst war natürlich noch nicht müde, aber Dallis zuliebe sollte sie vernünftig sein. Und wenn sie ohnehin schon wegen Dallis anhalten musste, konnte sich ihr eigener schmerzender Rücken gleich ein wenig mit erholen.
    Sie sah sich nach einem geeigneten Platz um. Es war zwar immer noch schneidend kalt, aber wenigstens regnete es nicht mehr und vielleicht fand sie eine einigermaßen trockene Stelle, wo sie sich hinsetzen und ausruhen konnte. Möglicherweise war ja sogar eine Quelle in der Nähe. Das Wasser hatte sich während des Rittes als echtes Problem erwiesen. Seit sie die Talsohlen verlassen hatten, gab es keine Seen mehr und die wenigen Male, da sie auf Bäche oder Quellen stießen, konnte Patricia an einer Hand abzählen. Bisher hatte es gerade so ausgereicht, bevor sie und besonders Dallis wirklich in Schwierigkeiten gerieten. Aber Patricia machte sich inzwischen ernsthafte
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