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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg
Autoren: Sam Eastland
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Freund«, gab der Zar zurück, »würde gut daran tun, nicht zu vergessen, dass ich persönlich Pekkala ernannt habe.«
    »Nun, mein Lieber«, sagte die Zarin, worauf das Rascheln ihres Kleides zu hören war, während sie durchs Zimmer ging, »keiner behauptet, dass es falsch war, ihn zu ernennen. Deine Loyalität gegenüber Pekkala steht außer Zweifel. Es ist nur Pekkalas Loyalität dir gegenüber, die in Frage gestellt wird.«
    Die Worte versetzten Pekkala einen Stich. Er hatte sich nie auch nur im Geringsten illoyal verhalten. Er wusste es, und der Zar musste es ebenfalls wissen. Aber in diesem Augenblick packte ihn der Zorn, denn er wusste, wie leicht der Monarch umgestimmt werden konnte. Der Zar sah sich gern als entscheidungsfreudigen Mann, was er in gewisser Weise auch war, dennoch konnte er von so ziemlich allem überzeugt werden, wenn es sich seine Frau nur in den Kopf gesetzt hatte.
    »Sunny, verstehst du nicht?«, protestierte der Zar. »Pekkala hat nicht mir gegenüber loyal zu sein.«
    »Na, ich will doch annehmen, dass er das sein sollte, oder?«
    »Pekkala ist ausschließlich der Aufgabe verpflichtet, die ich ihm stelle«, erwiderte der Zar, »nur ihr gehört seine Loyalität.«
    »Seine Pflicht …«, begann die Zarin.
    Der Zar schnitt ihr das Wort ab. »… ist es, die Wahrheit in der Sache herauszufinden, mit der ich ihn betraue, mag sie noch so unerfreulich sein. Ein solcher Mensch entfacht Angst in den Herzen jener, die Lügen in sich tragen. Und ich frage mich, Sunny, ob unser Freund nicht mehr um sich selbst besorgt ist als um das Wohlergehen des Hofes.«
    »Das kannst du nicht behaupten, mein Lieber! Unser Freund wünscht unserer Familie und unserem Land nur das Beste. Er hat dir sogar ein Geschenk geschickt.« Raschelndes Papier war zu hören.
    »Was um alles in der Welt ist das?«
    »Ein Kamm«, erwiderte sie. »Einer, der einmal ihm gehört hat. Es wird dir Glück bringen, wenn du dir damit durch die Haare fährst, bevor du an den Tagessitzungen mit den Generälen teilnimmst.«
    Pekkala schauderte beim Gedanken an Rasputins fettige Haare.
    Der Zar schien den gleichen Gedanken zu hegen. »Ich werde mich keinesfalls auf Rasputins abscheuliche Rituale einlassen!«, schrie er. Und damit verließ er das Zimmer und trat hinaus in den Gang.
    Pekkala konnte sich nicht mehr verstecken. Ihm blieb nur eine Möglichkeit: da zu bleiben, wo er war.
    Der Zar stutzte.
    Eine Weile starrten sich die beiden Männer nur an.
    Pekkala brach schließlich das Schweigen, indem er das sagte, was ihm als Erstes durch den Kopf ging. »Wie sind die Stiefel, Majestät?«
    Überrascht blinzelte der Zar ihn an, dann lächelte er. »Die Engländer machen wunderbare Stiefel«, sagte er, »nur nicht für uns Menschen.«
    Nun erschien die Zarin in der Tür. Sie trug ein einfaches weißes, bodenlanges Kleid mit hohem Kragen und halblangen Ärmeln. Um die Taille hatte sie einen schwarzen, mit Quasten besetzten Stoffgürtel geschlungen, am Hals trug sie an einer Goldkette ein von Rasputin persönlich geschnitztes Kreuz aus Knochen. Sie war eine ernste Frau mit schmalem Mund, tiefliegenden Augen und einer glatten, breiten Stirn. Pekkala hatte Bilder von ihr kurz nach ihrer Hochzeit mit dem Zaren gesehen. Damals hatte sie glücklicher gewirkt. Wenn sie sich jetzt entspannte, war ihr Gesicht von Sorgenfalten überzogen. »Was wollen Sie?«, fragte sie Pekkala.
    »Seine Exzellenz haben mich gebeten, mich um Punkt vier Uhr zu melden.«
    »Dann kommen Sie zu spät«, blaffte sie.
    »Nein, Exzellenz«, erwiderte Pekkala. »Ich war pünktlich.«
    Der Zarin dämmerte, dass er jedes Wort, das sie gesprochen hatten, mit angehört haben musste.
    »Was gibt es Neues von Grodek?«, fragte der Zar, bemüht, das Thema zu wechseln.
    »Wir haben ihn, Exzellenz«, antwortete Pekkala.
    Die Miene des Zaren hellte sich schlagartig auf. »Gut gemacht!« Der Zar klopfte ihm leicht auf die Schulter, drehte sich um und ging den Korridor hinunter. Als er an seiner Frau vorbeikam, blieb er stehen und flüsterte ihr ins Ohr: »Erzähl das deinem Freund.«
    Dann standen nur noch Pekkala und die Zarin im Gang.
    Ihre Lippen waren trocken, Folge des Barbiturats Veronal, das sie nahm, damit sie besser schlafen konnte. Das Veronal allerdings schlug ihr auf den Magen, weshalb sie auf Kokain zurückgriff. Eine Droge führte zur nächsten. Das Kokain hatte ihr schließlich Herzprobleme verursacht, so dass sie geringe Dosen Arsen einnahm. Dadurch hatte sich die Haut
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