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Mut Proben

Mut Proben

Titel: Mut Proben
Autoren: Carsten Jasner
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Sie ging das größte und folgenreichste Risiko der Menschheit ein.
    Danke, Eva!
    Ein großer Strom mäandert durch die Landschaft. In der Gegend, wo er sich in vier Arme gabelt, stehen Adam und Eva. Sie fragen sich gerade, was sie mit dem Tag anfangen sollen. Vielleicht mit den Goldklumpen spielen, die vom Ufer herüberfunkeln? Oder mit den schwarz-braunen Steinchen Weitwurf üben, die überall im Gras herumliegen? Aber Eva hat keine Lust, Adam gewinnt immer. Auf den Wiesen grast Vieh, unterm Himmel flattern allerlei Vögel, es riecht nach Harz. Die beiden beschließen, erst mal einen Happen essen zu gehen, und betreten ein nahe gelegenes Gärtchen.
    So ungefähr kann man sich die letzten unschuldigen Momente der Menschheit vorstellen. Kurz bevor die biblischen Autoren die Bombe hochgehen lassen: Der Superskandal im Paradies, der Beginn alles Bösen und Verruchten – er erregt die Gemüter bis heute. Doch was ist eigentlich genau passiert?
    In dem Gärtchen finden Adam und Eva »allerlei Kraut« 1 und »allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen« – die Früchte auf den Bäumen vermutlich, nicht die Bäume selbst. Mittendrin zwei Exemplare, auf die Gott ganz besonders hingewiesen hat: der Baum des Lebens und, ihm gegenüber, der Baum der Erkenntnis vom Guten und Bösen. Vom ersten dürfen die beiden essen. Aber auf gar keinen Fall vom zweiten. Strengstens verboten! Laut Gott werden Zuwiderhandlungen mit dem Tod bestraft.
    Diese Regelung wirft eine Frage auf: Warum behauptet ein Großteil der Menschheit, der Garten Eden sei der erstrebenswerteste Flecken im Universum, eine traumhafte Gegend, frei von Frevel, der beste Ort, um Urlaub vom Leben zu nehmen? Wo Friede und Freude herrschen? Dass mitten in dieser vermeintlichen Idylle ein verminter Baum stand, eine Art Selbstschussanlage, wird geflissentlich unter den Teppich gekehrt.
    Die Sonne scheint schmeichlerisch, Sie genießen die Wärme auf der Haut. An den Bäumen und Sträuchern um Sie herum hängen Äpfel und Kirschen, Litschi und Kiwi. Sooft Sie Ihre Runden drehen – unwillkürlich landen Sie vor einem ganz bestimmten Feigenbaum. Sie können gar nicht anders, er zieht Sie magisch an. Weil ein geheimnisvoller Jemand, den Sie nicht näher kennen, Ihnen aus Gründen, die Sie auch nicht näher kennen, verboten hat, davon zu essen. Was hat er noch mal angedroht? Den Tod. Was ist das? Da stehen Sie nun, die Feigen baumeln vor Ihrer Nase, duften herrlich süß, Sie würden so gerne kosten, stattdessen fallen sie zu Boden und verderben – es ist ein Jammer.
    In dieser Situation befindet sich Eva. Da kommt eine Schlange und sagt: »Mach doch.« Und Eva nascht.
    Über zwei Milliarden Menschen glauben bis heute, dass das ein Fehler war.
    Die Heilige Inquisition war immer bestrebt, die Zuwanderung zum Paradies nach bestem Treu und Glauben zu regeln. Es sollten nicht die falschen Leute hinein, damit es seine Reinheit und Anziehungskraft für den bußfertigen Teil der Menschheit nicht verliert. Angenommen, sie hätten Eva in die Finger gekriegt: Was hätten sie mit ihr angestellt? Wäre sie auf dem Scheiterhaufen gelandet? Hätte Eva ihre Sünde bereut? Sie bekam nie die Chance, sich öffentlich zu erklären. Geben wir ihr die Gelegenheit – in einem hochnotpeinlichen Interview mit der Inquisition.
    Inquisitor: Eva, verfluchte Sünderin, warum hast du vom Baum der Erkenntnis vom Guten und Bösen genascht?
    Eva: Ich konnte einfach nicht widerstehen.
    Inquisitor: Du Unersättliche, es gab doch genügend andere Bäume.
    Eva: Ja, aber dieser eine hatte was.
    Inquisitor: Was denn?
    Eva: Schwer zu sagen.
    Inquisitor: Wirres Weib. Hat dir das Verbot Gottes nichts bedeutet?
    Eva: Doch, absolut.
    Inquisitor: Wie jetzt?
    Eva: Na ja, wie soll ich sagen … Angenommen, Ihr Kollege würde Sie bitten‚ in den nächsten dreißig Sekunden auf keinen Fall an eine stöhnende Frau auf der Streckbank zu denken. Was ginge Ihnen wohl im Kopf herum?
    Inquisitor: Hmm.
    Eva: Sehen Sie, so ungefähr ging es mir. Ich musste ständig an die verbotenen Feigen denken.
    Inquisitor: Das hat dich erregt?
    Eva: Ja.
    Inquisitor: Verstehe.
    Eva: Diese Lust, die ich noch nicht kannte. Und dann kam die Schlange, wunderschön und geschmeidig …
    Inquisitor: … sie ist des Teufels! Wie konntest du auf sie hören, diese Ausgeburt des Bösen!
    Eva: Woher sollte ich denn wissen, dass sie böse ist? Ich hatte ja noch nicht vom Baum der Erkenntnis gegessen.
    Inquisitor: Kommst dir wohl sehr schlau
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