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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg
Autoren: Sam Eastland
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Bauerntrick angewandt und hineinuriniert und sie über Nacht hatte stehenlassen.
    Die sanfte Stimme der Zarin war wieder zu hören. Sie hob so gut wie nie die Stimme, in ihrem leisen Ton aber schien immer eine unterschwellige Drohung mitzuschwingen. »Unser Freund drängt uns dazu«, sagte sie.
    Bei der Erwähnung von »unserem Freund« spannte sich Pekkalas Kiefer. So nannten Zar und Zarin, wenn sie unter sich waren, den selbsternannten Heiligen Rasputin.
    Rasputins Einfluss auf die Zarenfamilie hatte seit seiner Ankunft am Hof so zugenommen, dass er mittlerweile in allen Fragen konsultiert wurde, egal, ob es um den Krieg ging, der nun in seinem zweiten Jahr war und von einer Katastrophe zur nächsten führte, um Berufungen an den Zarenhof oder die Krankheit ihres jüngsten Kindes Alexej. Offiziell wurde es zwar dementiert, bei dem Jungen aber war Hämophilie diagnostiziert worden. Verletzungen, über die jeder gesunde Junge nur gelacht hätte, fesselten Alexej tagelang ans Bett. Oftmals musste er bei Ausflügen von seinem Leibdiener, einem Matrosen namens Derewenko, getragen werden.
    Die Zarin war bald davon überzeugt, dass Rasputin Alexej von seiner Krankheit heilen könnte.
    Ministerpräsident Pjotr Stolypin, beunruhigt wegen Rasputins gesellschaftlichem Aufstieg, ordnete eine Untersuchung an. Der Bericht, den er daraufhin dem Zaren vorlegte, enthüllte ausschweifende Gelage in Rasputins Petrograder Wohnung und geheime Treffen zwischen der Zarin und Rasputin im Haus ihrer besten Freundin Anna Wyrubowa.
    Die Zarin, beim russischen Volk nicht besonders beliebt, wurde landläufig nur als Nemka , die Deutsche, bezeichnet. Als das Land im Krieg gegen das Deutsche Reich stand, fragte man sich natürlich, welcher Seite ihre Loyalität wirklich gehörte.
    Nach der Lektüre des Berichts befahl der Zar Stolypin, Rasputin ihm gegenüber nie wieder zu erwähnen. Als 1911 auf Stolypin bei einem Opernbesuch in Kiew ein Anschlag verübt wurde, an dessen Folgen der Ministerpräsident fünf Tage später starb, sorgte das Desinteresse seitens des Zaren und der Zarin für einen Skandal am russischen Hof.
    Nach der Verhaftung des Attentäters Dimitri Bogrow stellte sich heraus, dass dieser ein bezahlter Informant der Ochrana gewesen war. Beim Prozess gegen Bogrow war es den Anwälten nicht erlaubt, zu fragen, ob es irgendeine Verbindung zwischen Bogrow und der Familie Romanow gegeben habe. Keine Woche nach Stolypins Tod wurde Bogrow hingerichtet.
    Rasputins Zusammenkünften mit der Zarin stand nun nichts mehr im Weg. Bald kamen Gerüchte über ihre Untreue auf. Pekkala schenkte ihnen zwar keinen Glauben, aber er kannte viele, die dies taten.
    Allerdings war er davon überzeugt, dass die Angst um ihren kranken Sohn die Zarin fast um den Verstand gebracht hatte. Aller Reichtümer der Romanows zum Trotz gab es kein Heilmittel, das sie für Geld hätte kaufen können. Daher hatte sich die Zarin dem Aberglauben zugewandt, der mittlerweile so viel Macht über sie hatte, dass sie in einer völlig von Angst beherrschten Welt lebte . Und in dieser Welt war Rasputin zu einer Art Gott geworden.
    Der Zar ließ sich nicht so leicht davon überzeugen. Rasputins Einfluss hätte vielleicht wieder nachgelassen, wäre nicht ein Ereignis eingetreten, das ihm nicht nur die Ergebenheit der gesamten Familie gesichert, sondern letztlich auch sein Schicksal besiegelt hatte.
    In der tristen Jagdunterkunft der Romanows in Spala war der Zarewitsch, als er aus der Badewanne stieg, ausgeglitten und hatte sich dabei eine so schlimme Blutung zugezogen, dass die Ärzte den Eltern nahelegten, sich bereits auf sein Ableben einzustellen.
    Dann traf ein Telegramm von Rasputin ein, in dem er der Zarin versicherte, dass ihr Sohn nicht sterben werde.
    Was als Nächstes geschah, konnten noch nicht einmal Rasputins schärfste Kritiker abstreiten.
    Nach der Ankunft des Telegramms begann sich Alexejs Zustand überraschend schnell zu bessern.
    Von diesem Zeitpunkt an war Rasputin, egal was er tat, über nahezu jede Kritik erhaben.
    Nahezu.
    Denn Rasputin frönte auch weiterhin seinen Ausschweifungen, und Pekkala fürchtete den Tag, an dem er vom Zaren möglicherweise damit betraut wurde, gegen den sibirischen Prediger zu ermitteln. So oder so wäre dies das Ende seiner Karriere gewesen oder – wie bei Stolypin – gar seines Lebens. Möglicherweise aus diesem Grund oder weil er die Wahrheit nicht erfahren wollte, verschonte der Zar ihn mit einem solchen Auftrag.
    »Unser
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