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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg
Autoren: Sam Eastland
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ersten grünen Gersten-, Weizen- und Roggentriebe zu sehen waren. Rauchfäden erhoben sich aus den Kaminen einzeln stehender Bauernhäuser.
    Maximow konnte den kleinen Grenzübergang am Fuß des Hügels erkennen. Dahinter lag, wie er wusste, die Tschechoslowakei.
    Minuten später erreichte er die Grenze. Wie die meisten Übergänge an solch ruhigen Nebenstraßen bestand der Posten aus einer zweigeteilten Hütte sowie einer rot-weiß gestreiften Schranke, die von den Wärtern geöffnet oder geschlossen werden konnte.
    Ein verschlafener tschechischer Grenzposten schlurfte ihm entgegen und streckte die Hand nach seinen Papieren aus.
    Maximow fasste in den Mantel und zog seinen Pass heraus.
    Der Tscheche blätterte ihn durch, sah zu Maximow und verglich sein Gesicht mit dem Bild im Pass.
    »Der Pole pennt noch«, sagte der Grenzposten und wies mit einem Nicken zur andere Gebäudehälfte. Am Fenster dort war noch der beigefarbene Rollladen vorgezogen. »Wohin geht es, Russe?«
    »Nach Amerika«, sagte er.
    Der Tscheche zog die Augenbrauen hoch. Kurz stand er nur da, als könnte er nicht begreifen, wie jemand sich einbildete, jemals so weit reisen zu wollen. Dann ging sein Blick zum Motorrad. »Zündapp«, sagte er und sprach es als »Sundapp« aus. Er gab ein anerkennendes Schnalzen von sich und klopfte mit dem Finger gegen den chromverkleideten Tank, als wäre er ein Talisman. Schließlich reichte er Maximow den Pass und öffnete die Schranke. »Dann mal auf nach Amerika«, sagte er, »mit deiner schönen Sundapp!«
    Maximow brauchte eine weitere Woche, bis er Le Havre erreichte. Dort verkaufte er die schöne Zündapp und erwarb von dem Geld eine Schiffspassage nach New York. Als das Schiff aus dem Hafen auslief, stand er an der Reling und sah zurück zur französischen Küste, bis sie am Horizont verschwand.

    Pekkala stand in Stalins Büro im Kreml, hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt und wartete auf den Staatsmann.
    Schließlich, nach einer halben Stunde, öffnete sich mit einem gedämpften Klicken die verborgene Tür, und Stalin trat in den Raum. »Nun, Pekkala«, sagte er, als er auf seinem roten Lederstuhl Platz nahm. »Ich habe mir Ihren Rat zu Herzen genommen und den Ingenieur Zalka mit der Fertigstellung des T-34 betraut. Er hat mir versichert, dass die letzten Veränderungen am Prototyp in wenigen Wochen vorgenommen sind. Außerdem will er den Originalentwurf um einige Sicherheitsmerkmale bereichern. Anscheinend haben die Testfahrer ihn schon als …«
    »Ich weiß«, sagte Pekkala.
    »Ich stimme ja mit Nagorski überein«, fuhr Stalin fort. »Die Maschine sollte Vorrang haben, aber wir können es uns nicht leisten, dass der T-34 als Sarg bezeichnet wird, bevor die Produktion überhaupt begonnen hat, oder?«
    »Nein, Genosse Stalin.«
    »Oberst Nagorskis Beteiligung am Konstantin-Projekt wird aus allen offiziellen Unterlagen getilgt. Niemand wird erfahren, dass er irgendwas damit zu tun hatte. Ich will nicht, dass sich unsere Feinde am Tod eines unserer bekanntesten Erfinder weiden.«
    »Und was ist mit dem Jungen?«, fragte Pekkala.
    »Ich habe darüber nachgedacht.« Stalin griff zu seiner Pfeife. »Mir scheint, jeder kann zu so etwas getrieben werden, meinen Sie nicht auch, Pekkala?«
    »Ja, Genosse Stalin.«
    »In uns allen lauert ein Mörder«, fuhr Stalin fort. »Wäre es anders, wäre die Menschheit schon längst ausgestorben. Und es wäre eine Verschwendung, auf einen jungen talentierten Mann zu verzichten, der eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten könnte.«
    »Er scheint mir tatsächlich ein schlauer Kopf zu sein«, sagte Pekkala.
    »Genau, und deswegen habe ich den Jungen zu Zalkas Lehrling ernannt, bis das Konstantin-Projekt beendet ist. Danach wird er sich am Moskauer Physik- und Technikinstitut einschreiben. Aber ich erwarte Ergebnisse. Ich werde ein Auge auf ihn haben. Und Sie, Pekkala, werden Ihr Smaragdauge auf ihn haben.«
    »Das werde ich, ja«, sagte er.
    Stalin deutete mit der Pfeife auf ihn. »Ich sehe, Sie haben da ein ganz hübsches neues Jackett.«
    »Ach«, sagte Pekkala und sah an sich hinab. »Das ist nur übergangsweise. Ich lasse mir von Linsky eines machen.«
    »Linsky?«, fragte Stalin, während er in seiner Schreibtischschublade nach einem Streichholz suchte. »Dem beim Bolschoi-Theater? Sie wissen, wie die Leute ihn nennen? Den Totenausstatter.«
    »Jedes Mal, wenn ich das höre, muss ich mehr darüber lachen.«
    »Außerdem«, sagte Stalin,
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