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Der Rote Sarg

Der Rote Sarg

Titel: Der Rote Sarg
Autoren: Sam Eastland
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gefechtsbereit.
    »Polen«, flüsterte Pekkala.
    Die polnische Kavallerieabteilung ritt zu ihnen heran. Die Männer hatten die Gewehre auf den Hüften aufgesetzt, die Gewehrläufe zeigten in den Himmel. Der befehlshabende Offizier, nur mit einer Pistole am Gürtel bewaffnet, starrte zum Panzer, der mittlerweile dem Rückenschild eines riesigen und selbst noch in diesem Zustand feindseligen Insekts glich. Dann blickte der Offizier zu seinen Männern, die von ihm auf ein Zeichen zu warten schienen, was als Nächstes zu tun sei.
    Pekkala und Kirow waren vollständig von den Pferden und ihren Reitern umringt, und da sie nicht wussten, was sie sonst machen sollten, hoben sie die Arme.
    Das erregte die Aufmerksamkeit des Offiziers. Er wedelte mit der Hand, prustete und gab ihnen zu verstehen, dass ihre Kapitulationsgeste unnötig war.
    Verwirrt ließen Kirow und Pekkala die Hände sinken.
    Dann begann einer der Männer irgendwo in der Reihe zu lachen.
    Abrupt hob der Offizier den Kopf. Im ersten Augenblick wirkte er verärgert, aber dann schlich sich ein Lächeln in seine Miene. »Motor kaputt!«, sagte er.
    Damit war der Bann gebrochen. »Motor kaputt!«, brüllten alle vor Lachen.
    Entgeistert sah Kirow zu Pekkala. Dieser zuckte nur mit den Schultern.
    Erst als das Lachen allmählich abebbte, schlangen die Ulanen ihre Gewehre wieder über die Schulter.
    Der Offizier nickte Pekkala zu. Er sagte etwas auf Polnisch, was Pekkala nicht verstand, dann brüllte er einen Befehl und gab seinem Pferd die Sporen. Die Kavallerieabteilung setzte sich in Bewegung. Die Männer unterhielten sich, witzelten und sahen zu den beiden Ermittlern, nach einem scharfen Wort des Offiziers aber herrschte augenblicklich Ruhe. Dann waren nur noch die Pferdehufe zu hören, während sie um die nächste Kurve verschwanden.
    Die beiden Männer waren wieder allein.
    »Was war das?«, fragte Kirow.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Pekkala.
    Sie gingen zum Panzer. Anstelle des Tarnanstrichs war nur noch verrußtes Metall zu sehen. Die Motorabdeckung war zum völlig zerstörten Motor durchgesackt, die Gummibeschichtungen der Laufrollen waren zu schwarzen Lachen neben den Ketten geschmolzen.
    Von Maximow fehlte jede Spur.
    »Er hat es wohl nicht geschafft«, sagte Kirow.
    Pekkala machte sich auf den Anblick von Maximows verstümmeltem Leichnam gefasst. Wie viel blieb von jemandem nach einer solchen Explosion übrig? Aber von Maximow war nichts zu finden. Das Feuer musste ihn völlig verzehrt haben, dachte Pekkala, während er ratlos den Blick schweifen ließ. In diesem Augenblick fiel ihm auf, dass die Zündapp nicht mehr da war. Er entdeckte sogar die frischen Motorradspuren auf dem Waldweg. Ihm dämmerte, dass Maximow gar nicht tot, sondern im Schutz des Feuers und der gewaltigen Detonationen geflohen war.
    »Ich habe ihn falsch eingeschätzt«, sagte Kirow. »Er ist einen tapferen Tod gestorben.«
    Pekkala sagte nichts. Er sah zu Kirow, dann wandte er den Blick ab.
    Sie machten sich auf den Weg zum Emka.
    »Wie viel Zeit haben wir noch?«, fragte Kirow.
    »Ungefähr eine Stunde«, antwortete Pekkala. »Ich hoffe, das Funkgerät funktioniert.« Erst jetzt bemerkte er, dass sein Mantel immer noch vor sich hin schwelte. Er schlug auf die verkohlten Ärmel ein, von denen Staub und Rauch aufstiegen.
    »Gut, dass ich Ihnen schon mal neue Sachen besorgt habe.«
    »Ja«, sagte Pekkala. »Was habe ich aber auch für ein Glück!«

    Falls es im Wald von Rusalka Grenzposten gab, war Maximow ihnen nicht begegnet. Er bemerkte erst, dass er sich in einem anderen Land befand, als er durch ein Dorf fuhr und ein polnisches Bäckereischild sah. Seitdem hatte er nicht mehr angehalten. Im östlichen Teil des Landes hatte er an den Tankstellen noch mit den russischen Geldscheinen aus seiner Brieftasche zahlen können. Je mehr er sich allerdings der tschechoslowakischen Grenze näherte, umso weniger waren die Leute bereit, seine Rubel zu akzeptieren. So war er gezwungen, erst seine Uhr, dann einen Goldring einzutauschen. Schließlich saugte er das Benzin mit Hilfe eines Gummischlauchs aus den Tanks anderer Autos.
    Es war der dritte Tag seiner Reise. Das Licht der aufgehenden Sonne spiegelte sich auf seiner Brille, als er mit der Zündapp einen Hügel erklomm. Er war die Nacht durchgefahren, hatte den Mantel gegen die Kühle bis oben hin geschlossen und durchquerte die polnische Landschaft.
    Er hielt am Straßenrand und ließ den Blick über die Felder schweifen, auf denen die
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