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Der Roman eines Konträrsexuellen

Der Roman eines Konträrsexuellen

Titel: Der Roman eines Konträrsexuellen
Autoren: Emile Zola
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ähnelte, und außerdem hätte ich dazu nie den Mut gehabt.
    Ein Mann schien mir viel schöner zu sein als eine Frau, ich bewunderte an ihm seine Stärke und seine feste Gestalt, die ich nicht besaß und die zu erlangen mir unmöglich schien. Ich stellte mir immer vor, eine Frau zu sein, und meine Wünsche waren die einer Frau.
    Ich hatte einige Freunde und empfand für sie, ohne mir darüber Rechenschaft abzulegen, eine übertriebene Freundschaft. Ich beneidete sie, und wenn sie mir die Arme auf den Rücken bogen, zitterte ich am ganzen Körper. Ich war eifersüchtig auf sie, und meine größte Freude war es, ihnen irgendwelche Beweise meiner Anhänglichkeit zu liefern und ihnen kleine Opfer zu bringen. Ihre Gleichgültigkeit und ihre ungestüme Art, die sich von meiner unterschied, quälten mich, und ich hätte mir gewünscht, daß sie sich nur mit mir befaßt hätten.
    Was mich jedoch am meisten anzog, waren reife Männer zwischen dreißig und vierzig. Ich bewunderte ihre schönen Schultern und ihre tiefe Stimme, die sich so deutlich von unseren kindlichen Stimmen unterschied. Ich war mir nicht im klaren, was ich empfand, aber ich hätte alles dafür gegeben, von ihnen in den Arm genommen zu werden und mich an sie schmiegen zu können.
    Ganze Nächte träumte ich von diesen Dingen und gab ihnen so ein Stück Wirklichkeit. Ich wußte noch nicht, wie tief das schreckliche Übel, das ich, ohne es zu kennen und ohne es zu wollen, in mir nährte, einen Mann erniedrigen kann, ein Übel, das mich später so unglücklich machen sollte.
    Ein Diener, den wir bald danach in unsere Dienste nahmen, zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Er hatte ein schönes Gesicht mit schwarzem Schnurrbart und Backenbart. Mit den kleinen Listen eines Jungen versuchte ich ihn dazu zu bringen, über unanständige Sachen zu reden, und er ging bereitwillig darauf ein. Ich liebte ihn sehr und wollte ihn immer an meiner Seite haben, wenn ich irgendwo hinging. Abends brachte er mich auf mein Zimmer in der zweiten Etage und blieb bei mir, bis ich fast eingeschlafen war. Ich brachte ihn dazu, von seinen Geliebten zu sprechen und von den schlimmen Orten, die er aufsuchte. Daran fand ich so großes Gefallen, daß ich danach noch stundenlang wachlag, erfüllt von einem Verlangen, dessen ich mir nicht recht bewußt war. Ich hätte es gerne gehabt, wenn er bei mir läge, wenn ich seinen hellen, glatten Körper spüren könnte. Ich hätte ihn gerne umarmt, hätte ihn gerne bei mir gehabt, um Lust zu empfangen und zu geben. Meine Wünsche reichten gar nicht weiter, und ich stellte mir auch nicht mehr vor.
    Eines Abends, nach einem langen Gespräch über unser Lieblingsthema, bei dem ich ihn nach den unanständigsten Dingen gefragt hatte, ergriff mich plötzlich das Verlangen, ihn ganz kennenzulernen, und ohne Scham und wie zum Spaß *bat [Fußnote: Mit * - * sind die vom französischen Herausgeber Dr. Laupts in der Buchausgabe 1896 ins Lateinische übersetzten Textpassagen gekennzeichnet. An dieser Stelle merkt er an: »Die Leser werden gewiß verstehen, daß ich bestimmte Passagen des Dokuments vom Französischen ins Lateinische übersetzt habe« (S.56)] ich ihn, mir sein Glied zu zeigen, um mich zu überzeugen, daß es wirklich so groß und schön sei, wie er behauptete. Er wollte zuerst nicht, aber als ich versprach, daß ich keinem davon erzählen würde, öffnete er seine Hose und zeigte sich mir im Zustand der Erektion, die mein Reden verursacht hatte. Er kam zu meinem kleinen Bett, auf dem ich, keuchend vor Verlangen und Scham, lag. Ich hatte noch nie das Glied eines erwachsenen Mannes gesehen und war so erregt, daß ich kein Wort hervorbringen konnte. Getrieben von ich weiß nicht welcher Gewalt und welchem Verlangen in mir, ergriff ich das Glied mit meiner rechten Hand, und während ich es heftig rieb, flüsterte ich nur: »O wie schön ist es, wie schön!« Mich erfüllte ein wildes Verlangen, mit diesem Glied, das meine ganze Hand ausfüllte, etwas zu machen, und heftig wünschte ich mir, mein Körper sollte eine Öffnung haben, durch die ich das in mich aufnehmen könnte, was ich so heftig begehrte.*
    Als er Lärm hörte, bedeckte sich der Diener sofort, zog sich zurück und ließ mich allein mit meinem brennenden Verlangen, das ich niemals zuvor gespürt hatte und von dem ich nicht geglaubt hätte, daß es so etwas gab. Im Innersten meines Herzens spürte ich schon damals eine Art Verzweiflung und die feste Überzeugung, daß ich nie würde
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