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Der Raben Speise

Der Raben Speise

Titel: Der Raben Speise
Autoren: F.G. Klimmek
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hatte – auch nicht schlecht. Dann würde er zur Rechten des Königs des neuen Zion sitzen und sein Wort wäre Gesetz. Sollte sich aber der Feind übermächtig zeigen und sich ein Fall Münsters abzeichnen, dann ... ja dann würde er sich etwas einfallen lassen müssen. Aber gewisse Gegenleistungen in Form umfassender Informationen über die Befestigungsanlagen der Stadt, zur rechten Zeit dem rechten Mann avisiert, sollten allemal genug Tauschobjekt sein, ihm auch für diese ungünstigste Eventualität einen Geleitbrief zu verschaffen.
    Behutsam ließ er die Fliege von seiner Fingerkuppe auf den Tisch krabbeln, wo sie in kleinen, taumeligen Kreisen schimmernde Bögen hinterließ, nicht ahnend, welches politische Ränkespiel sie soeben belauscht hatte. Er wusste, dass sein Gegenüber zu klug war, um sich durch längeres Hinhalten weitergehende Garantien abnötigen zu lassen. Und er wusste noch etwas anderes genauso sicher: Man würde ihm nicht die Gelegenheit lassen, über dieses Treffen zu berichten, sollte er das Angebot ablehnen. Vielleicht würden sie ihn nicht hier in der Schenke vor den Augen des Wirtes erledigen, doch bestimmt, bevor er sein Pferd bestiegen hätte. Schon deshalb antwortete er auf die barsche Frage »Nun, Pfaffe?« ohne Zögern mit einem nüchternen: »Wir sind uns einig, Exzellenz!«
    »Prächtig, prächtig, Pfaffe! Ich hatte nie einen Zweifel an deiner Intelligenz. Und auch nicht an deinem Mut, wohlgemerkt. Ich wusste immer, dass ich mit dir die richtige Wahl getroffen habe. – Wirt, mehr Wein, aber den besten!«
    Der Schankwirt, der bis dahin, wie man ihm befohlen hatte, außer Hörweite geblieben war, sprang eilfertig und unter vielen Verbeugungen herbei, um das Gewünschte auf den Tisch zu stellen. Ein solches Geschäft wie heute machte er nicht alle Tage. Und er wusste sehr wohl, wer der so untypisch gekleidete Herr mit dem vollen Geldbeutel war, der von den vier Kämpfern begleitet wurde. Er hatte ihn einmal bei dessen Regierungsgeschäften gesehen, in vollem Ornat. Aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als jemals mit jemandem darüber zu sprechen. Ohne Zunge konnte man weiterleben – höchst unangenehm zwar, aber immerhin leben.
    Der Mächtige geriet nach dem zweiten Krug Wein in Überschwang. »Pfaffe, wir werden sie knacken wie eine Auster. Und dann wird die Perle des Münsterlandes in meinen Schoß fallen, mit deiner und mit Gottes Hilfe.«
    »Ja, mit Gottes Hilfe!«, prostete ihm der Pfaffe zu. Und er meinte es ehrlich, denn obwohl er wahrhaftig ein Mann der Kirche war, glaubte er an Gott.
    Als sich der vornehme Herr und seine Eskorte entfernt hatten und nur noch der Wirt in der Schankstube geblieben war, holte der Pfaffe Papier und Schreibzeug aus der Satteltasche seines Pferdes, setzt sich an denselben Tisch wie zuvor und begann, den Inhalt des Gesprächs zu fixieren. Anschließend faltete er das Blatt so, dass davon nichts zu lesen war, und setzte nebst Datum einen weiteren Satz darauf. Dann rief er: »Komm her, Wirt, und unterzeichne hier!«
    Der Wirt, ein von Natur aus vorsichtiger und durch langjährige Erfahrung in seinem Gewerbe äußerst misstrauischer Mann, näherte sich vorsichtig und beäugte das Schreiben mit gemischten Gefühlen. Lesen und Schreiben waren nicht sein täglich Brot und er hatte stets Mühe, wenn es darum ging, etwas anderes zu entziffern als die Rechnungen seiner Bier- und Weinlieferanten. Als er endlich die Tragweite des Satzes erfasst hatte, trat er unwillkürlich einen schnellen Schritt zurück.
    »Das – das werde ich nicht unterschreiben, Herr. Ich kann doch nicht ...«
    So hastig der Wirt auch mit seiner Bewegung gewesen war, der Pfaffe war weitaus schneller, hatte ihn bereits am Arm erwischt und auf den nächsten Stuhl gezogen. »Oh doch, du kannst und du wirst. Ich habe sofort an deinem Gesicht gesehen, dass du ihn erkannt hast. Deine Unterschrift wird mein Leben garantieren. Und mein Schweigen garantiert deines. Oder soll ich etwa dem Hohen Herrn berichten, dass du jedes unserer Worte belauscht hast? Oder ist es dir vielleicht lieber, wenn dem Bischof zugetragen wird, dass du an einem Komplott gegen ihn beteiligt bist, ein Mitverschwörer gegen die heilige römische Kirche? Dass sie dich umbringen werden, steht außer Zweifel. Interessant ist dabei höchstens, was sie vorher noch alles mit dir anstellen werden.«
    Nachdem der Pfaffe dem Wirt einige Momente gegeben hatte, um seine Worte besser auf ihn einwirken zu lassen, schob er
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