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Der Q-Faktor

Der Q-Faktor

Titel: Der Q-Faktor
Autoren: Suzette Haden Elgin
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als alles andere, sogar noch schlimmer als der Sturm beim Tod ihres Mannes, doch lag darin kein Hinweis, in keinem der Gedankenorkane, die durch die Kuppeln tosten, daß sie sich etwas zuleide tun wollte, oder daß sie die Kontrol le über ihre Handlungen verloren hatte.
    Es war in Makluniten-Trauben Sitte, daß sich am Donnerstag, am Sanften Donnerstag, alle Mitglieder versammelten und gemeinsam versuchten, das Elend, in dem so viele in drei Galaxien lebten, spürbar zu mildern. Alle anderen Vorhaben und Arbeiten ruhten an dem Tag zugunsten der Unterstützung und Hilfe jeglicher Art für andere. Anne-Charlotte hatte diesmal einen dicken Strich durch ihre Rechnung gemacht. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als ihre Aufwallungen zu ertragen. Normalerweise hätte ihr soviel Egoismus schwere Vorwürfe der anderen eingebracht.
    Nicht, daß Anne-Charlotte den anderen diese Qual nicht hätte ersparen können! Dazu wäre sie leicht in der Lage gewesen. Sie besaß die stärksten Psi-Kräfte der Gruppe, und deshalb hätte sie die anderen gegen die schmerzlichsten Auswüchse ihres Kummers abschirmen können, wenn sie gewollt hätte. In ihrer Herzensnot war es ihr einfach gleichgültig gewesen, und obgleich sie mehr Rücksicht vorgezogen hätten, verstanden sie es trotzdem. Niemand hatte ihr Vorwürfe gemacht. Und in den darauffolgenden Wochen, als das Baby auf dem Weg zur Krippe im Regierungskreuzer in Tiefschlaf versenkt worden war, waren sie liebevoll und sanft zu ihr gewesen. Sie hatte gelassen gewirkt, ruhiger als erwartet.
    Heute aber, am dritten Tag, nachdem das Baby wieder erwacht war, war sie bei Anbruch der Dämmerung plötzlich weggegangen, ohne irgendwem ein Wort zu sagen. Warum?
    Es konnte natürlich sein, daß sie nur eine Gelegenheit suchte, einmal allein zu sein. Hier draußen war sie für die anderen gedanklich nicht mehr erreichbar, denn nur sie und er konnten telepathisch mehr als ein paar Kilometer überbrücken. Da die Makluniten in so enger Bindung lebten, kam es schon manchmal vor, daß einen der überwältigende Wunsch nach völligem Einsamsein überkam, und dann begab der Maklunite sich außerhalb der Sicht- und Spürweite seiner Gruppe und blieb dort allein, bis er wieder für das Gruppenleben bereit war. Wenn dieser Wunsch hinter Anne-Charlottes Wanderschaft stand, würde er sie sofort in Frieden lassen, und keiner der Gruppe würde in ihre Nähe kommen, bis sie freiwillig zu ihnen zurückkehr te. Vielleicht war dies der Grund, denn sie hatte seit Drjins Tod einiges mitgemacht. Erst der Verlust des Mannes, dann die Geburt des Babys, dann die Spannung, ob es gelingen würde, es verborgen zu halten … es waren schlimme Zeiten für sie gewesen. Und sie hatte bei keinem Mann gelegen, seitdem Drjin krank geworden war, obgleich alle es ihr willig angeboten hatten. Sogar Tomaso, der ungern zu einer anderen Frau außer seiner Naomi ging, hatte ihre wachsende Begierde gespürt und ihr angeboten, sich helfen zu lassen; dennoch hatte sie abgelehnt. Es war alles sehr schwierig für sie.
    Und doch, nichts in ihren Gedanken gab ihm die beruhigende Gewißheit, daß sie nur aus Einsamkeitsbe dürfnis der dauernden Nähe der Gruppe entgehen woll te und in diese Öde geflohen war. Er beschloß, sie noch eine Weile von fern zu begleiten und abzuwarten, was geschah.
    Anne-Charlotte hatte ein ideales Plätzchen für ihre Absichten gefunden. Hier erhob sich ein einzelnstehender Riesenkaktus bis zu einer Höhe von dreizehn Metern, darum herum seine Familie von kleineren Kakteen, so daß ihre Blüten ein schirmartiges Dach bildeten. Die Kakteen wuchsen so dicht nebeneinander in Kreisen um den Mittelstamm, daß sie völlig isoliert war. Selbst wenn nachts ein gewaltiger Sandsturm losbrechen würde, war sie hier in dem mitgebrachten Kunststoffzelt genügend geschützt. Der Kreis war wie eine Festung, oder ein natürliches Aschram – lediglich der Altar fehlte.
    Sie schaute sich um, bis sie einen flachen Stein entdeckte, der wie alle Felsen in der Wildnis aus goldenen und grünen Spiralen zusammengeschmolzen war. Sie betrachtete ihn abwägend; sehr schwer war er nicht, so ungefähr fünfzig Pfund, und er lag nicht weiter als hundert Meter vom Fuß des Riesenkaktus entfernt.
    Sie legte den Netzrucksack beiseite, schloß die Augen fest und konzentrierte alle Gedankenstränge zu einem einzigen goldenen Knoten hinter den Augen. Mit angehaltenem Atem setzte sie das Bild der Kaktusbasis auf den Knoten. Sie legte alle Kraft in
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