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Der Preis des Lebens

Der Preis des Lebens

Titel: Der Preis des Lebens
Autoren: Christian Endres
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wieder DeRául zu.
Der Vampir nickte angespannt, streckte die Arme in Nugals Richtung und drehte die Handflächen in einer fast schon feierlich anmutenden Geste langsam nach außen ...
*
    Lorn huschte als geduckter Schatten durch die Straßen, wobei er Regenfässer, Säulen, Mauern und Pfeiler sowie die Schwärze der Nacht selbst als Schutz gegen unliebsame Blicke aller Art zu nutzen verstand. Sah man vom gelegentlichen Knarren seiner Halbrüstung ab, verursachte Lorn keinerlei Geräusch, das lauter gewesen wäre als der Wind oder das Heulen, Quietschen und Rasseln in dessen Gefolge. Lorns schwarzer Brustpanzer aus hartem Leder schien eins mit der Dunkelheit zu werden, sie regelrecht anzuziehen und mit ihr zu einem Sammelpunkt undurchdringlicher Finsternis zu verschmelzen. Schmierig-klebriger Ruß auf den übrigen Rüstungsteilen aus abgewetztem Leder und mattem Metall verhinderte unterdessen, dass der verirrte Schein einer Lampe oder ein Strahl silbrigem Mondlichts die Arme oder die dornengekrönten Schultern des Jagam traf.
So näherte sich Lorn Meter um Meter seinem Ziel inmitten der verwinkelten Innenstadt von Namask.
Lorn bog im Laufschritt in eine schmale Gasse. Beim Klang mehrerer Stimmen blieb der Nachtjäger jedoch abrupt stehen und presste sich in einer fließenden, lautlosen Bewegung gegen die nächste Hauswand, wo er sich langsam nach vorn schob. Ein kurzer, flüchtiger Blick in die stockdunkle Lücke zwischen jenen zwei Häusern, die er eben noch verstohlen wie ein Fuchs zu passieren gedacht hatte – dann zog der Jagam sich schon wieder zurück, drückte sich erneut fest gegen das Mauerwerk und wartete regungslos.
Die Stimmen kamen allmählich näher. Lorn erkannte, dass sie zu drei Männern gehörten. Betrunkenen Männern.
Der Nachtjäger entspannte sich. Wahrscheinlich waren die Zecher von einem müden Wirt aus der Schankstube gekehrt worden und befanden sich nun torkelnd und lärmend auf dem Nachhauseweg. Entweder schafften sie es, unbehelligt und mit lediglich ein paar Abschürfungen an Händen und Knien nach Hause zu kommen, oder aber sie würden am nächsten Morgen von der Stadtwache mit durchschnittenen Kehlen und um ihre Geldkatzen erleichtert im Rinnstein gefunden werden.
Lorn zuckte mit den dornengekrönten Schultern. So oder so ahnten die Männer nichts von dem, was der in den Schatten verharrende Jagam binnen der nächsten Stunde zu tun gedachte.
Ahnten nicht, dass er auf der Jagd war.
Auch der Vampir, dem Lorn seit fast genau drei Monaten auf der Spur war, hatte sich als begnadeter Jäger erwiesen – überdies ein Jäger mit einem außergewöhnlich erlesenen Geschmack. Selten hatte Lorn von einem Blutsauger gehört, der seine Opfer so streng nach einem bestimmten Muster auswählte. Der Ruf des Vampirs war es sogar erst gewesen, der Lorn auf die Fährte des Unsterblichen gelockt hatte.
Für Visco DeRául kamen keine Männer, aber auch keine Dirnen oder irgendwelche Frauen aus dem einfachen Volk in Frage. Stets waren es adelige oder wenigstens wohlhabende Damen der höchsten Gesellschaftskreise gewesen, die sich in jedem der Lorn bekannten und DeRául zuordenbaren Fälle bereitwillig auf das verbotene Spiel eingelassen hatten – ohne zu ahnen, dass der attraktive Mann in ihrem Bett ihnen den Tod bringen sollte, noch ehe der erste Sonnenstrahl des neuen Tages die Zinnen der Stadtmauern kitzeln würde. Das Blut, das der Vampir in jeder einzelnen Nacht der letzten Jahrzehnte gekostet hatte, war stets von edelster Herkunft gewesen, mit besten Grüßen der scheinbar nicht gerade zur Treue prädestinierten Oberklasse des Reiches.
Trotz dieser Auffälligkeit hatte Lorn DeRáuls blutige Spur quer durch die städtische Aristokratie zwischenzeitlich verloren, als der Vampir aus einem für den Jagam nicht nachvollziehbaren Grund in Richtung Gebirge gereist war und Lorn im steinigen Vorland abgehängt hatte. Dem unerbittlichen Nachtjäger war es nichtsdestoweniger gelungen, DeRáuls Fährte wenige Tage später am Fuß der Berge wieder aufzunehmen und dem Vampir zurück nach Namask zu folgen, um dort auf den richtigen Augenblick zum Zuschlagen zu warten.
Dieser Augenblick war nahe.
Die Stimmen aus der Gasse entfernten sich inzwischen wieder in die andere Richtung, nachdem die Zecher wohl gemerkt hatten, dass ihr vom Alkohol benebelter Orientierungssinn sie in die falsche Richtung geführt hatte. Daraufhin überwand Lorn die Lücke zwischen den Häusern, setzte über die Stufen eines vorgezogenen
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