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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg
Autoren: Astrid Fritz
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die Behandlung. Und grüß ihn recht herzlich von mir.»
    Sie nickte. «Ich war eben bei Deborah. Ihr Husten gefällt mir gar nicht.»
    Moische wiegte bekümmert den Kopf. «Nu ja, ich weiß. Aber mit unserem guten alten Nathan – das wird wohl nicht mehr. Nächsten Monat schickt uns die Straßburger Gemeinde einen neuen Arzt, ein junges Grünschnabele namens Schlomo ben Jacob, genannt Gutlieb. Weißt, Clara, am liebsten würd ich bei deinem Heinrich bleiben. Aber du kennst ja meine Deborah   …»
    Clara zuckte nur die Schultern. «Da misch ich mich nicht ein. Das Geld kannst du Heinrich übrigens heut Abend selbst geben. Er soll doch nach eurem Ofen schauen.»
    «Ich dacht eigentlich eher an euren Benedikt, das gute Jungele – ich will doch deinen Mann nicht belästigen – nur weilder Schabbes beginnt   …» Vor Verlegenheit war Moische ins Stottern geraten.
    «Benedikt hat keine Zeit», sagte sie schärfer als beabsichtigt. «Alsdann – ich muss weiter. Einen schönen Tag noch.»
    «Dir auch, Clara, dir auch. Und Friede sei mit dir und den Deinen.»
    Jetzt tat es ihr leid, dass sie dem alten Moische so über den Mund gefahren war. Eigentlich hatte sie nichts gegen die Grünbaums – von der selbstgefälligen, hochnäsigen Deborah einmal abgesehen. Der alte Moische ben Chajm war ein durch und durch sanftmütiger Mensch, seine beiden älteren Söhne höflich und sehr klug. Aaron arbeitete als Schulmeister und Schreiber in der Synagoge, der sechzehnjährige Jochai studierte in der Talmudschule zu Speyer, einer der drei heiligen jüdischen Gemeinden, um später Rabbiner zu werden. Nein, eigentlich hatte sie überhaupt nichts gegen die Hebräer, solange sie ihren seltsamen Gebräuchen in den eigenen vier Wänden nachgingen.
    Hier in Freiburg, wie allerorten entlang des Rheins, lebten sie friedlich mit den übrigen Bürgern zusammen, als unauffällige, freundliche und sehr reinliche Nachbarn, die dieselbe Sprache sprachen, wenngleich ihr Jüdischdeutsch manchmal etwas seltsam klang und in diesen verschnörkelten Buchstaben geschrieben wurde. Man begegnete ihnen auf dem Markt, am Brunnen oder ab und an beim Spaziergang im Stadtgraben; die Männer durften ihre Tracht selbst wählen und mussten sich nicht, wie anderswo, gelbe Ringe auf den Mantel nähen lassen und gelbe Spitzhüte tragen oder gar des Freitags die Türen und Fenster ihrer Häuser geschlossen halten. Lediglich einmal im Jahr, von Karfreitag bis Ostern, dem höchsten Fest der Christenheit, durften sie die Gassen nicht betreten.
    Gut ein Dutzend Familien mitsamt ihren jüdischen Dienstboten wohnte hier in der Webergasse, gleich hinter ihrem Haus, sowie in der benachbarten Tromlosengasse. Dort befand sich auch ihr Gemeinde- und Gotteshaus, Synagoge oder Schul genannt. Es war eine eigene, fremdartige Welt, an dessen Rande Clara mit ihrer Familie lebte. Zwar war das jüdische Viertel nicht, wie in manch anderen Städten, ummauert, aber man hatte ein eigenes Backhaus, einen eigenen Schlachter, Schächter genannt, eine Elementarschule und eine eigene Badestätte. Das war eine Art Tauchbad, tief drunten in einem Schacht.
    Die Hebräer genossen den persönlichen Schutz der Grafen von Freiburg oben auf der Burghalde und durften sogar Haus und Weinberg besitzen. Doch trotz dieses äußerlichen Friedens waren sie bei einem Teil der Bürgerschaft nicht sonderlich beliebt. Da sie nämlich keinem gewöhnlichen Gewerbe nachgehen durften, von Ämtern und Handwerk ausgeschlossen waren, hatten sich die meisten auf Geldgeschäfte spezialisiert. Und Clara wollte gar nicht wissen, wer alles von den Bürgern bei ihnen verschuldet war.
    Letzten Endes kümmerte sie das keinen Deut, schließlich konnten die Juden nichts für diese althergebrachten Gesetze. Nur: Musste ausgerechnet ihr eigener Mann sich ihnen als Schabbesgoi andienen, als der freundliche nichtjüdische Nachbar, der am Schabbat den Juden das Essen aufwärmte und den Ofen nachfeuerte? Vor allem aber beunruhigte sie, dass die junge Esther, mit der ihr Ältester aufgewachsen war und auf der Gasse gespielt hatte, von Tag zu Tag schöner wurde. Clara würde mehr denn je ein Auge auf Benedikt haben müssen – wenn es denn schon die Grünbaums ganz offensichtlich nicht für nötig hielten. Denn eine Liebesverbindung zwischen Christen und Juden war bei Strafe der Exkommunizierung verboten.
    Auf Höhe der Metzgerlauben kreuzte der Karrenbäcker mit seinem rauchenden Öfchen auf dem Handwagen ihren Weg. Der
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