Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Allerweltsnamen aussprach, verächtliche Gleichgültigkeit mitgeklungen hatte, so, als wolle er ausdrücken: Wenn Sie unbedingt darauf bestehen, dann lüge ich Ihnen eben etwas vor, na und?
    »Und was wollen Sie?«
    »Nur ein paar Minuten. Es wird nicht mehr Zeit in Anspruch nehmen, als wir hier draußen schon verplempert haben.«
    »Warum? Wer schickt Sie? Professor Nordin?«
    Die fischigen Augen des Mannes musterten ihn mit einem seltsam entrückt wirkenden Blick. Als seien es in Wirklichkeit kunstvoll bemalte Stahlkugeln. »Gehen wir doch einfach kurz in Ihr Büro, Professor Andersson«, sagte er dann mit einer Bestimmtheit, der Hans-Olof nichts mehr entgegenzusetzen hatte.
    Resignierend drehte er sich also zur Tür um, zog seinen Ausweis durch den Schlitz des Lesers, tippte die Codeziffern ein und zog, als das Schloss klickte, die Tür auf. Er war von unbändigem Zorn gegen sich selbst erfüllt, als er den Flur entlang und die Treppe hoch stapfte und der Mann ihm mit seinem Koffer folgte, wortlos und mit der allergrößten Selbstverständlichkeit.
    Sie gelangten schweigend oben an, ohne jemandem zu begegnen. Hans-Olof schloss die Tür seines Büros auf, und erst als er die Tür schon offen hatte, fiel ihm ein, dass er hätte vorgeben können, die Schlüssel im Auto vergessen zu haben; er hätte sich ohrfeigen können, dass ihm das nicht eher eingefallen war.
    Nun war es zu spät. Mit einem stummen Kopfnicken auf den freien Stuhl deutend, ging Hans-Olof um seinen Schreibtisch herum, nahm wahllos Akten von den Stapeln auf dem Bücherregal und ließ sie vernehmlich auf die Schreibunterlage knallen, damit dem Mann klar wurde, dass Arbeit auf ihn wartete, wichtige Arbeit, und zwar jede Menge. Er sah aus dem Fenster, hinüber zum Bau des Nobelinstituts für Zellphysiologie, aber Bosse war nicht in seinem Büro.
    Als er sich wieder umdrehte, hatte der Mann seinen Koffer geöffnet und ihn auf den Schreibtisch gelegt. Darin war etwas rötlichbraunes und blauweißes, und Hans-Olof musste erst einmal blinzeln und die Brille zurechtrücken, ehe er begriff, dass es Fünfhundert-Kronen-Scheine waren, ganze Bündel davon.
    »Drei Millionen insgesamt«, sagte der Mann.
    Hans-Olof war im ersten Augenblick sprachlos. Darum also ging es. Der Unbekannte war Journalist und versuchte auf diese Weise an Informationen zu kommen. Vermutlich wollte er wissen, was jetzt aus der Abstimmung wurde. Wer für die Toten nachrückte. Niemand, aber das würde Hans-Olof ihm nicht erzählen, wenn er zu dumm war, die Statuten zu lesen. Das Karolinska-Institut musste natürlich neue Leute für die nunmehr vakanten Stellen berufen. Und es würden wieder Wahlen für die Nobelversammlung stattfinden. Doch das war ein Vorgang, der Wochen dauerte.
    Oder wollte der Mann etwas gänzlich anderes wissen? Womöglich vorab erfahren, wer dieses Jahr den Nobelpreis in Medizin erhalten würde? Das wäre natürlich ungeheuerlich. Ungeheuerlich auch, dass man in ihm jemanden vermutete, der derlei preiszugeben bereit sein könnte.
    Er fand seine Stimme wieder. »Das ist zwecklos«, sagte er und schüttelte den Kopf, um zu unterstreichen, wie zwecklos.
    »Ich bin nur der Bote«, sagte der Mann. Er streckte die Hand aus, berührte den Koffer, schob ihn eine Winzigkeit weiter auf Hans-Olof Andersson zu. »Die Leute, die mich schicken, haben mich beauftragt, Ihnen diese Summe – drei Millionen Schwedische Kronen in bar – anzubieten, wenn Sie bei der bevorstehenden Abstimmung über den Medizinnobelpreis für Frau Professor Sofía Hernández Cruz stimmen.«
    Hans-Olof Andersson starrte den Mann mit einem ganz und gar irrealen Gefühl an. Schon die Vorstellung, jemand würde einfach mit einem Koffer voller Geld in das Büro eines Mitglieds der Nobelversammlung spazieren, in der ernsthaften Erwartung, derjenige ließe sich ohne weiteres bestechen, war lachhaft. Doch dass diese Bemühungen ausgerechnet Sofía Hernández Cruz gelten sollten, grenzte ans Absurde.
    Sofía Hernández lebte und arbeitete in der Schweiz. Bekannt geworden war sie in ihrer Zeit an der Universität von Alicante, mit Experimenten zur Interaktion zwischen Hormonsystem und neuronaler Struktur, deren brillante Konzeption Hans-Olof faszinierte, seit er den ersten Artikel darüber gelesen hatte. Zugleich hatte sie damit einen Sturm moralischer Entrüstung ausgelöst, nicht nur, aber vor allem in Spanien. Selbst am Karolinska war Hans-Olof mit seiner positiven Einstellung alleine, intern galt die Spanierin
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher