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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis
Autoren: Andreas Eschbach
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Nobelpreisträger bei 62 Jahren, der Anteil der Frauen bei vier Prozent. Doch trotz aller Kritik und Anfeindungen ist der Nobelpreis nach wie vor – vielleicht sogar mehr denn je – die begehrteste Auszeichnung der Welt. Er ist eine Institution. Er muss sich nicht erklären, nicht rechtfertigen, ist niemandem Rechenschaft schuldig. Es gibt vielerlei Preise für vielerlei Leistungen, sogar einige besser dotierte, doch neben dem Nobelpreis verblassen sie alle.
    Viele Entscheidungen der Nobelkomitees sind kritisiert worden, nicht wenige haben sich als Missgriffe herausgestellt, aber es sind immer unabhängige Entscheidungen gewesen. Soweit man weiß, haben weder offizieller noch diplomatischer Druck jemals Einfluss auf eine Preisentscheidung gehabt. Die Nobelinstitutionen legen Wert auf die Feststellung, auch von eventueller Lobbyarbeit interessierter Kreise unberührt zu bleiben.
    Allen ist klar, dass es das Ende dieser Institution bedeuten würde, käme es jemals zu einem gekauften Nobelpreis.
    Genauer gesagt: Wenn es dazu käme – und es bekannt würde.
    In dem Jahr, in dem etwas schief ging, geschah es, dass Anfang Oktober eine McDonnell-Douglas 87 der SAS, die auf dem Mailänder Flughafen Linate gerade Anlauf für den Takeoff nahm, in einen Cessna-Business-Jet raste, der sich in dem an diesem Morgen herrschenden starken Nebel auf die Runway verirrt hatte. Das Passagierflugzeug rammte einen Gepäckhangar, zerbrach in zwei Teile und ging, voll betankt für einen Flug nach Kopenhagen, augenblicklich in Flammen auf. Keiner der 104 Passagiere, von denen 56 italienische Staatsangehörige waren, überlebte, ebenso wenig wie die sechs Mitglieder der Crew oder die vier Personen an Bord der Cessna.
    Bei den Untersuchungen stellte sich heraus, dass das Bodenradarsystem des Flughafens seit Tagen wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb gewesen war. Die Kommunikation zwischen dem Tower und der Cessna war entgegen internationaler Standards, die den ausschließlichen Gebrauch der englischen Sprache vorschreiben, zum Teil auf Italienisch erfolgt, zudem hatte der Tower sich die Anweisungen vom Piloten der Cessna nicht rückbestätigen lassen. Eine Vielzahl von Fehlern, die allesamt vermeidbar gewesen wären, hatte zu einem tragischen Unglück geführt.
    Über die Diskussion um die mangelhaften Sicherheitsmaßnahmen des Mailänder Flughafens und das ganze Zuständigkeitsdurcheinander der italienischen Flugaufsicht insgesamt wurde nie bekannt, dass unter den schwedischen Todesopfern drei Professoren des Stockholmer Karolinska-Instituts gewesen waren. Mit anderen Worten, drei Mitglieder des Komitees, das wenige Tage später über die Vergabe des Medizin-Nobelpreises zu entscheiden hatte.

KAPITEL 3
    Die meisten Ärzte fühlen sich in Kirchen unwohl, insbesondere, wenn eine Trauerfeier der Anlass ihres Aufenthalts darin ist. Das Sinnen und Trachten der Medizin ist auf Verbesserung des Lebens gerichtet oder zumindest auf seine Verlängerung, und wer sich diesem Kampf einmal verschrieben hat, sieht sich ungern mit der Tatsache konfrontiert, dass trotz aller Anstrengungen, Siege und Errungenschaften am Ende des Lebens dennoch unweigerlich der Tod steht, wie eh und je und ohne Aussicht auf Änderung.
    In diesem Fall war der Tod früh, unerwartet und mit grausamer Plötzlichkeit gekommen, und er hatte zudem drei herausragende medizinische Forscher getroffen – eine zusätzliche Gemeinheit. Weil die italienischen Behörden die Leichname der drei Professoren noch nicht herauszugeben gewillt waren – es wurde gemunkelt, sie seien noch nicht einmal vollständig aus den Wrackteilen geborgen –, standen nur Fotos vorne beim Altar, in dezentem Chrom gerahmt und mit schwarzem Flor versehen, großformatige Schwarzweißabzüge der offiziellen Porträts, die die Pressestelle des Karolinska-Instituts von allen führenden Mitarbeitern zum Zwecke der Veröffentlichung bereithielt. Würdig sahen sie aus, alle drei. Ihre Witwen saßen in der ersten Reihe, eine in Tränen aufgelöst, die beiden anderen noch im Schock.
    Die Bänke dahinter waren für die übrigen Professoren des Instituts reserviert, hinter diesen wiederum drängten sich Assistenten, Doktoranden, Laborhelfer, Sekretärinnen, Verwaltungsangestellte und schließlich zahlreiche Studenten, soweit der Platz in der Kirche dafür ausreichte.
    In der Mitte der vierten Bankreihe saß Professor Hans-Olof Andersson, ein Pharmakologe, der seit nunmehr neunzehn Jahren dem Institut angehörte. Er
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