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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis
Autoren: Andreas Eschbach
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zurück, der mich in den kommenden Jahren um die ganze Welt führen und die Rütlipharm AG Millionen kosten wird. Schweizer Franken, wohlgemerkt. Und ein guter Teil davon fließt in meine Taschen.
    Unmittelbar nach dieser Rückkehr habe ich Birgitta in den Rathauskeller ausgeführt und ihr vor dem Hauptgang des Nobelmenüs einen Heiratsantrag gemacht. Es wäre ein weiteres Mal wunderbar unoriginell, wenn ich jetzt auch berichten könnte, dass sie ihn angenommen hat: Das hat sie leider nicht. Sie hat sich Bedenkzeit ausgebeten, mindestens ein Jahr. Sie war wortkarg hinsichtlich ihrer Gründe, aber ich glaube verstanden zu haben, dass sie noch nicht ganz über die Trennung von ihrem Mann hinweg ist – dessen Bild sie übrigens auf eine entsprechende Bemerkung von mir erschrocken abgehängt hat.
    Und vielleicht, denke ich, knabbert sie auch noch an dem, was ich Inga angetan habe.
    Kristina ist bei ihrer Weigerung geblieben, zurückzukommen. Sie ist fest entschlossen, in Vimmerby zu bleiben und für ihre Großmutter zu sorgen, solange diese lebt. Was noch ziemlich lange sein kann, meinem Eindruck nach. Das mit der Schule scheint auch zu funktionieren. Ihr Vater hat dem Arrangement zähneknirschend zugestimmt und schickt nun allmonatlich Geld, sodass die beiden nicht mehr nur auf die Rente der alten Dame angewiesen sind. Dass sie außerdem noch etwas von mir bekommt, wird sie ihm sicher nicht auf die Nase binden.
    Was Hans-Olof selbst betrifft, betrachte ich ihn als meiner Familie nicht länger zugehörig. Am zweitliebsten hätte ich ihn angezeigt, doch Mårtensson hat nur abgewunken: Das bringe nichts, denn es sei nichts Justiziables geschehen. »Er hat eine Decke hochgehoben, Gunnar«, erklärte er mir. »Weiter nichts. Im Grunde hätte er sich problemlos damit herausreden können, alles sei ein Missverständnis gewesen. Wundert mich, dass er es nicht getan hat.«
    »In seinem Kopf ist es passiert«, erwiderte ich. »Deshalb.«
    »Mag sein, aber das ist nicht strafbar«, beharrte Mårtensson.
    Doch als wolle er sich selbst bestrafen, tat Hans-Olof etwas, das mich maßlos verblüffte, als ich davon erfuhr: Er gab seine Professur am Karolinska und seine Mitgliedschaft in der Nobelversammlung auf und arbeitet seither als gewöhnlicher Apotheker im Krankenhaus von Sundbyberg.
    Der Grund dafür war mir ein Rätsel – bis zu jenem Abend in Basel, als ich nach dem Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden der Rütlipharm AG einer Einladung von Sofía Hernández Cruz in ihre Wohnung am Rheinufer folgte.
     
    »Nach Ihrem Anruf«, erzählte sie, »habe ich unter vier Augen mit dem Vorsitzenden des Nobelkomitees gesprochen. Er hat dann seinerseits ein Gespräch mit Ihrem Schwager geführt und ihm nahe gelegt, diejenigen Konsequenzen zu ziehen, die seinem Verständnis nach mit der Würde des Nobelpreises am besten vereinbar seien.«
    »Und daraufhin hat er gekündigt?«
    »Am nächsten Tag.«
    »Allerhand.« Ich betrachtete den spanischen Wein in meinem Glas. Ein Priorato. Den Namen musste ich mir merken, auch wenn ich es für unwahrscheinlich hielt, dass sich ein so edler Tropfen in den SYSTEMBOLAGET-Läden finden lassen würde. »Der Nobelpreis, ja. Wie hat er denn nun Ihr Leben verändert?«
    Sofía Hernández Cruz lächelte rätselvoll. »Nicht so sehr wie Ihres, scheint mir.« Als ich nickte, fuhr sie fort: »Wie hat er mein Leben verändert? Der Rektor der Universität von Alicante hat mir geschrieben. Ob sie einen Flügel der neuen Bibliothek nach mir benennen dürften.«
    »So ein Zufall.«
    »Ja, unverschämt, oder? Und sonst … Es gibt Neid. Ich hätte jetzt alles erreicht, was man als Forscher erreichen kann, sagt man mir, also solle ich doch mal zurückstecken, wenn es um Forschungsmittel geht.« Sie sah auf den in der Dunkelheit zu erahnenden Rhein hinab, auf dem die Positionslichter eines Schiffes vorüberzogen. »In ein paar Jahren wird es dann wahrscheinlich heißen, ich hätte meinen Zenit schon überschritten, und man wird aufhören, noch etwas von mir zu erwarten.«
    »Das klingt, als sollten Sie besser auch umsatteln.«
    Sie lachte auf und schüttelte den Kopf. »Nein. Ich tue das, was ich immer getan habe – ich mache einfach weiter. Letzten Endes ist auch der Nobelpreis nur ein Preis. Eine Verzierung. Das, worauf es ankommt, ist das, was man tut, und das Leben, das man führt.«
    » Nazdarowje « , sagte ich.
    Womit wir bei Dimitri wären. Mårtenssons Nachforschungen hinsichtlich seines Schicksals
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