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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis
Autoren: Andreas Eschbach
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einwarf: »Ich glaube, wir müssen uns keine Sorgen machen. Erst recht nicht verglichen mit den Sorgen, die wir uns schon gemacht haben. «
    Kristina furchte die Stirn. »Was für Sorgen?« Sie lehnte sich zurück und musterte uns skeptisch. »Was ist das überhaupt für eine Geschichte mit euch beiden …?«
    Ich hörte Birgitta neben mir geräuschvoll einatmen und erwiderte: »Das erzähle ich dir ein andermal. Im Moment wüsste ich gern, wie du dir das künftig mit der Schule vorstellst.«
    Ertappt. Sie blies die Backen auf, schob ihre Tasse von links nach rechts und brummelte: »Also, ehrlich gesagt kriegt man den Tag auch ohne ganz gut rum …«
    »Nichts da«, verfügte ich. »Wenn man nichts lernt, kommt man nicht gut durchs Leben. Und das«, fügte ich hinzu, als Kristina zu einer Erwiderung ansetzen wollte, »hat deine Mutter mir gesagt, als sie so alt war wie du heute. Also keine Widerrede. Wenn du hier bleiben willst, wirst du hier zur Schule gehen.«
     
    Es gelang Birgitta, telefonisch eine Vertretung für sich zu organisieren, und so konnten wir, die anzüglichen Blicke meiner Nichte erduldend, über Nacht bleiben und am Tag darauf die zuständigen Stellen aufsuchen.
    Die Leiterin des Pflegedienstes, eine handfeste Frau mit einem Knoten im Haar und der Figur einer Ringerin, war begeistert von Kristina. »Erstens«, erklärte sie, »haben wir sowieso chronischen Mangel an Personal, da kommt so etwas wie ein Geschenk des Himmels. Vor allem aber diese Einstellung! Kristina hat mir alles erzählt, wissen Sie? Die Möglichkeit zu haben, aufgrund seiner guten Noten eine Klasse überspringen zu dürfen, und sich dann dafür zu entscheiden, das gewonnene Jahr einem pflegebedürftigen Angehörigen zu widmen – ich wäre an Stelle ihrer Schulleiterin auch stolz gewesen, das sage ich Ihnen ganz offen.«
    Ich konnte nur verblüfft nicken. Dieses Talent, Ausreden aus dem Ärmel zu schütteln, schien genetisch verankert zu sein.
    Birgitta sprach in der Zwischenzeit mit dem Leiter des nächstgelegenen Gymnasiums. Sie hat mir die Einzelheiten erklärt, aber ich habe offen gesagt nur verstanden, dass sie am Ende irgendwie einen Weg durch das Labyrinth der Vorschriften gefunden hatten, damit Kristina ohne weitere Verzögerung in diese Schule wechseln konnte.
    »Ihr Vater muss natürlich zustimmen«, schloss sie.
    »Das wird er, das garantiere ich dir«, erwiderte ich.
    Kristina trug die Neuigkeit mit Fassung und versprach, sich Mühe zu geben, während ihre Großmutter wieder mal wissen wollte, wer ich denn eigentlich sei.
    Auf dem Rückweg musste ich tanken. An der Kasse der Tankstelle fiel mein Blick auf die Schlagzeilen der Zeitungen, und ich traute meinen Augen nicht: Skandal um Rütlipharm stand da, und Illegale medizinische Versuche an Waisenkindern.
    »Die Nummer zwei?«, drang eine ungeduldige Stimme in mein Bewusstsein. »Macht 307 Kronen.«
    »Und das da noch«, murmelte ich und legte das DAGBLA-DET dazu.
    »Dann sind’s 319.«
    Das Wichtigste las ich auf dem Weg zum Wagen, den Rest in der nächsten Parkbucht. Die Polizei, die Dimitri verhaftet und seine Computer beschlagnahmt hatte, hatte offensichtlich nicht nur deren Festplatten gründlich gesichtet, sondern auch alle anderen Unterlagen, darunter die Ausdrucke von Hungerbühls geheimer Datei. Man hatte ein paar der Angaben darin überprüft und genug Verdachtsmomente gefunden, um einen Richter zu weitergehenden Beschlüssen zu bewegen. Noch während der Nobelpreisverleihung, als man Niederlassungsleiter Reto Hungerbühl ahnungslos im Auditorium des Konserthuset wusste, waren Beamte in alle Richtungen ausgeschwärmt. Die Niederlassung von Rütlipharm war durchsucht worden, Hungerbühls Wohnung, die Stockholmer Labors und natürlich das Waisenhaus Kråksberga. Dessen Leiter, hieß es, sei vollumfänglich geständig und habe Hungerbühl und einige seiner Mitarbeiter schwer belastet. Die Konzernzentrale erklärte, nichts von den Plänen Hungerbühls gewusst zu haben, und bot volle Kooperation mit den Behörden an, um jegliche Zweifel daran auszuräumen.
    Hungerbühl selbst – inzwischen in Untersuchungshaft – schwieg zu allen Vorwürfen. Die einzige Stellungnahme, die ihm ein Reporter entlocken konnte, lautete: »Das ist alles ein Komplott gegen mich. Nichts davon ist wahr. Eine Verschwörung.«
    Birgitta musste lachen, als sie das las. »Seltsam, oder? Immer diese Verschwörungen.«
    »Überall«, nickte ich und drehte den Zündschlüssel. »Die reinste
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