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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis
Autoren: Andreas Eschbach
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eingelegte Tomate auf. »Dass Sie noch wissen, dass ich Kanzleiräume unterhalte und auch, wo sich diese befinden, haben Sie letzte Woche doch unter Beweis gestellt. Warum, frage ich mich«, sagte er, schob sich den Bissen in den Mund, kaute ihn genüsslich, schluckte ihn hinunter, spülte mit einem Schluck Wein nach und fuhr fort, »riskieren Sie, mich bei einer quasi heiligen Handlung zu stören und mich dadurch geneigt zu machen, Ihre Bitte abzulehnen?«
    »Es sind sogar zwei Bitten.«
    Nun hoben sich seine Augenbrauen. »Das wird ja immer schlimmer.«
    Ich musste lächeln. »Als Erstes«, sagte ich und legte die Hände gefaltet vor mir auf den Tisch, »möchte ich Sie um Verzeihung dafür bitten, dass ich Sie neulich so angeblafft habe.«
    Mårtensson stutzte, musterte mich eindringlich. »Nur um ganz sicherzugehen: Haben Sie eben das Wort ›Verzeihung‹ in den Mund genommen? Denn wenn nicht, muss ich einen anderen Wein kommen lassen.«
    »Der Wein ist in Ordnung, schätze ich.«
    »Ich bin beruhigt. Er ist nämlich schweineteuer.«
    »Zweitens«, fuhr ich fort, »möchte ich Sie um Hilfe für einen Freund bitten.«
    Mårtensson legte das Besteck weg, nahm die Brille ab und massierte sich ausgiebig die Nasenwurzel. »Ein Abend der Wunder. Gunnar Forsberg kümmert sich um jemand anderen als sich selber. Dass ich das noch erleben darf, wird mich heute vor Entzücken nicht schlafen lassen.« Er setzte die Brille umständlich wieder auf und musterte mich blinzelnd. »Ich nehme an, es ist dringend, oder? Also reden Sie schon. Und leise, wenn möglich.«
    Ich beugte mich also vor und erzählte ihm halblaut, was es über Dimitri zu wissen gab. Die verhaltene italienische Musik, die das Lokal berieselte, tat das ihre, um nichts davon bis an den nächsten Tisch dringen zu lassen, an dem ohnehin nur ein verliebt turtelndes Pärchen saß, das sichtlich anderes im Kopf hatte.
    Mårtensson widmete sich dem Verzehr einer Artischocke und fragte dann: »Diese Sache in Russland – wissen Sie, worum es da geht?«
    »Nein. Aber wie ich Dimitri kenne, ist er schuldig wie Judas.«
    »Hmm, verstehe.« Er überlegte kauend. »Wann ist er verhaftet worden? Dienstag? Das heißt, dann ist er, wie ich die Sache einschätze, am Mittwoch … allerdings war das der Nobeltag, da macht man so was eher nicht, sagen wir also, am Donnerstag in den Flieger gesetzt worden. Heute ist Freitag, und auch das nicht mehr lange, dann Wochenende … Das heißt, Ihr Freund sitzt auf jeden Fall schon in einem russischen Gefängnis. Gut, ich werde sehen, was sich da machen lässt. Ich habe ein paar Beziehungen nach Petersburg, da sollte sich ein Kollege finden, der vor Ort tätig werden kann.«
    »Danke«, sagte ich.
    Mårtensson faltete eine mächtige Scheibe Parmaschinken auf seine Gabel. »Darf ich bei der Gelegenheit fragen, wie Sie mich zu bezahlen gedenken? Billig wird das nämlich nicht, das kann ich Ihnen gleich sagen.«
    »Ich habe noch Geld, keine Sorge.«
    »Aus illegalen Geschäften, nehme ich an?«
    »Kein Kommentar. Außerdem sieht man das den Geldscheinen nicht an.«
    » Non o let, ja, sicher.« Mårtensson wog die Gabel mit dem Schinken in der Hand. »Gunnar, Sie sind doch ein schlauer Junge. Könnte es Sie nicht interessieren, Ihre unbezweifelten Talente auf legalem Wege zu Geld zu machen? Und zwar zu viel mehr Geld, als Ihre riskanten Jobs Ihnen in der Vergangenheit je eingebracht haben?«
    Mein Körper spannte sich. Einen Augenblick lang spürte ich den Impuls, aufzustehen und zu gehen. Ein Impuls direkt aus meinen Zellen, die den Verlust der Freiheit fürchteten. Doch er war nicht mehr stark genug, oder irgendetwas anderes war geschehen, jedenfalls konnte ich ihn vorüberziehen lassen, ruhig sitzen bleiben und sagen: »Reden Sie weiter.«
    »Ich könnte Ihnen auf der Stelle ein halbes Dutzend Klienten vermitteln, die Ihren Rat dringend brauchen und das auch wissen. Und anders als Ihr sauberer Bewährungshelfer will ich keine Öre Provision dafür. Das Gefühl, meine gute Tat für den Tag vollbracht zu haben, würde mir vollauf reichen.«

KAPITEL 52
    So arbeite ich nun als Sicherheitsberater. Anstatt bei Firmen einzubrechen und ihre Informationen zu stehlen, berate ich sie, wie sie Einbrüche verhindern und ihre Informationen gegen Spione schützen können. Das mag keine sonderlich originelle Wandlung sein, aber sie ist einträglich. Erstaunlich einträglich sogar: An der Rundumrenovierung des Sicherheitssystems einer Firma verdiene ich
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