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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis
Autoren: Andreas Eschbach
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mehr, als mir früher ein Diebstahl ihrer sämtlichen Firmengeheimnisse eingebracht hätte. Meine eingefleischt negative Einstellung hilft mir hervorragend, mich in mögliche Pläne böser Buben hineinzudenken, und ich habe festgestellt, dass das genügen kann, um abends zufrieden ins Bett zu sinken.
    Das wirklich Verblüffende ist, dass der oft gehörte Spruch, Verbrechen lohne sich nicht, auf eine ganz andere Weise wahr ist, als man gemeinhin denkt. Wenn ich mir anschaue, was für Mühen und Risiken ich früher auf mich genommen habe und wie wenig letztendlich dabei herausgesprungen ist, kann ich nur den Kopf schütteln. Zugegeben, man muss redlich verdientes Geld versteuern, und der schwedische Staat ist nicht zimperlich. Aber Fahlander war es auch nicht. Vielleicht sollte man darüber mal Vorträge halten in den Gefängnissen dieser Welt.
    Meine Firma mit genau dem Geld zu gründen, das ich durch meine letzten illegalen Aktionen verdient hatte, hat mir im Gegensatz zu Mårtensson allerdings nicht die geringsten Gewissensbisse bereitet. Immerhin wird es auf diese Weise sozusagen einem guten Zweck zugeführt, nicht wahr?
    Natürlich habe ich das Büro behalten, das zu meiner Wohnung gehört. Jetzt steht ein Schreibtisch darin, ein Ledersessel, ein Computer mit Internetanschluss und ein paar Regale für den Buchhaltungskram, die technischen Prospekte von Anbietern für Sicherheitstechnik und die Fachzeitschriften. Eine Teilzeitkraft nimmt nachmittags Anrufe entgegen, erledigt Korrespondenz, tütet Informationsmaterial ein und verbucht meine Ausgabenbelege. Die Einnahmen verbuche ich lieber selber, dazu begeistert mich deren Höhe immer noch viel zu sehr. Mehr brauche ich nicht, denn der Hauptteil meiner Arbeit findet wie eh und je auf dem Grund und Boden fremder Firmen statt.
    Wenn ich einen potenziellen Kunden das erste Mal aufsuche, lasse ich nach Möglichkeit innerhalb der ersten fünf Minuten folgenden Spruch los: »Ich habe insgesamt acht Jahre wegen Industriespionage im Gefängnis gesessen. Hätten mir die Behörden alles nachweisen können, was ich tatsächlich getan habe, wären es wahrscheinlich achthundert Jahre geworden. Leute wie mich gibt es da draußen wie Sand am Meer. Sie können mich ab jetzt auf Ihrer Seite haben oder versuchen, allein klarzukommen. Suchen Sie es sich aus.«
    Das mit dem »wie Sand am Meer« ist ein wenig übertrieben, wie Marketing das nun einmal so an sich hat. Ansonsten schlägt meine Selbstdarstellung jedes Mal ein wie eine Bombe. Sie entwaffnet, klärt die Fronten, und bis jetzt hat noch keiner länger als vierundzwanzig Stunden gezögert, mir zuzusagen. Ich kann mich, wie es so schön heißt, vor Aufträgen kaum retten.
    Soweit mir Zeit bleibt, schreibe ich übrigens nun nebenbei tatsächlich an einem Lehrbuch über Industriespionage. Ich habe einen Verleger kennen gelernt, der Fachbücher für die Wirtschaft herausgibt, und er ist äußerst interessiert. Im Zuge meiner Recherchen dafür – meine ehemaligen Kollegen und heutigen Gegner haben in der Zeit, die ich im Gefängnis verbracht habe, allerhand Schlagzeilen gemacht – war ich übrigens auch wieder im Archiv des AFTONBLADET, in dem Anders Östlund natürlich nach wie vor arbeitet. Die Auskunft der Telefonistin seinerzeit hatte offenbar auf einer Verwechslung mit einem jungen Layouter gleichen Namens beruht.
    Einer meiner ersten, noch von Mårtensson vermittelten Kunden war, anbei bemerkt, niemand anders als die Rütlipharm AG. Die Leute in der schwedischen Niederlassung waren perplex, als ich ihnen den Trick mit dem Magneten demonstrierte. Zu meinem eigenen Erstaunen fühlte ich sogar so etwas wie Befriedigung, den Schrott von Reynolds auf dem Müll landen zu sehen.
    Anschließend flog ich auf Einladung der Zentrale nach Basel. Kein Geringerer als Dr. Felix Herwiller, der Vorstandsvorsitzende höchstpersönlich, begehrte mich zu sprechen. Die Unterredung in seinem großen, mit karger Strenge eingerichteten Büro dauerte fast drei Stunden, und in der Zeit redeten wir mehr über die Machenschaften der Pharmaindustrie als über die Konditionen meines Auftrags. Der Schweizer, ein asketisch wirkender Endfünfziger mit schütterem grauem Haar, ist zwar ein knallharter Geschäftsmann, aber er ist es auf eine nicht unsympathische Weise, und dass er Hungerbühls Konzept von der »chemischen Steuerung des täglichen Lebens« als jenseits des für ihn Akzeptablen sah, nahm mich für ihn ein.
    Ich kehrte mit einem Auftrag
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