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Haltlos

Haltlos

Titel: Haltlos
Autoren: Cornelia Koenig
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1.
    Wie jeden Morgen wurde Tessa pünktlich um 6.30 Uhr durch die bis in ihre Träume lärmende Musik des Radioweckers geweckt. Heute einmal passend dudelte der alte Cat Stevens Hit „Morning has Broken“ in ihre Ohren, gerade als sie aus einem lieber nicht endenden Traum gerissen wurde. „Ach man, du hast dir einen echt blöden Zeitpunkt zum Wecken ausgesucht.“ Da der Wecker unaufhörlich die Musik weiter laufen ließ, wurde Tessa energischer, „Nun sei bitte endlich leise, ich bin doch schon wach!“ grollte sie dem Lied entgegen. Das Radio tönte unbeeindruckt in der gleichen Lautstärke weiter, bis sich Tessa auf ihre Bettkante setzte und die Musik mit einem „Ich steh‘ schon auf“, leiser stellte. Ihre Beine baumelten direkt in die auf dem Boden bereitstehenden rosa Plüschhausschuhe, als ihr Blick an dem Foto auf ihrem Nachttisch verweilte. Leise seufzend nahm sie das Bild in die Hand, strich mit einem Finger über den gut aussehenden jungen Mann und wünschte ihm lautlos mit einem Lächeln auf den Lippen einen wunderschönen guten Morgen. Es war natürlich ihr Freund Mike, der sie aus dem Rahmen mit seinem perfekten Zahnpasta-Lächeln zurück anstrahlte. Sie kicherte leise vor sich hin, denn sie erinnerte sich, dass doch gerade erst ein paar Minuten vergangen waren, als sie ihm in ihrem Traum begegnet war. Sie lag mit ihm am Strand in der Brandung. Er strich mit seinen Fingern die Linien ihres Rückens nach und erkundete jeden Zentimeter ihrer Haut, bis er mit seinen sanften Berührungen letztendlich ihre Lippen nachzog und seine warmen Lippen die Ihren fanden. Bis…tja, der Wecker! So erging es ihr andauernd, d.h. seit sie mit Mike, dem – um es mit Tessas Worten wiederzugeben – heißesten, liebsten, tollsten, verständnisvollsten, quasi den lebendig gewordenen Twighlight Edward, der im zweiten Semester an der Midwest Central University studierte, zusammen war. Allein diese Tatsache lies ihr Herz immer einen kleinen Sprung machen. Er könnte jede haben, wenn er wollte. Doch er hatte sich für Tessa entschieden. Okay, bei den Jungs in ihrem Alter hätte es sie nicht allzu sehr verwundert, war sie doch als Teamchefin der Cheerleader und Einser-Schülerin weit mehr als nur sehr beliebt und bei dem männlichen Geschlecht deshalb recht begehrt. Aber HALLOOHO? Hier geht es schließlich um einen Typen von der Uni. Die geben sich normalerweise nicht mit „Babys“ ab. Und naja, war sie nicht irgendwie auch noch sehr kindlich? Sie drehte ihren Kopf hin und her, während sie ihren prüfenden Blick schweifend durch den Raum gleiten ließ. Alles was sie sah, war ihr altes Kinderzimmer. Ein „Prinzessinnen-Kinderzimmer“ mit weißen Möbeln. Die Schränke hatten rosa Griffe in der Form einer Krone. An den Fenstern hingen zartrosa Gardinenschals. Der Schreibtisch war ebenfalls aus weißem Holz. Der passende Schreibtischstuhl allerdings wieder rosa. Auch auf ihrem Bett setzte sich das Motto weiter fort. Es gab einen rosa farbenden Überwurf und passend dazu rosafarbene Kissen mit weißen Blumenornamenten darauf. Am Ende ihres Bettes saß ein großer weißer Plüschhase, der jeden Tag auf sie wartete. Mit anderen Worten, es war immer noch genau das gleiche Kinderzimmer, das ihre Mum und ihr Dad so liebevoll für sie eingerichtet hatten. Tessa erinnerte sich daran, als sei es gestern gewesen. Sie wurde mit verbunden Augen in ihr Zimmer geführt und dann sagte ihr Dad: „So Engelchen, nimm die Augenbinde ab und willkommen in deinem Schloss!“ Tessa konnte gar nicht fassen, was für ein tolles Kinderzimmer sie hatte. So sollte eine Prinzessin wohnen. „Gefällt es dir?“ „Ja Daddy, oh ja, oh ja, oh ja! Vielen Dank Mummy“ Tessa umarmte beide so fest sie konnte und hüpfte dann vergnügt durch ihr neues Paradies. Alles war so perfekt. Zu perfekt, doch das konnte sie in diesem Alter noch nicht begreifen. Perfekte Welten gab es nicht und wenn es sie doch gab, nur für kurze Zeit. Tessa hatte nichts von dieser schrecklichen Nacht vergessen. Kein einziges Detail war ihr über die Jahre in Vergessenheit geraten.
    Für Ihren Dad war sie von ihrem ersten Atemzug an eine kleine Prinzessin, seine Prinzessin. Er vergötterte sie mit derselben Intensität, wie sie zu ihm aufsah. Er war in jeder Hinsicht ihr Vorbild und vor allem ihr Held. Daddy konnte einfach an jeder Situation etwas Schönes finden. Wenn sie Angst hatte, schlich sie sich nachts zu ihren Eltern ins Schlafzimmer und verkroch sich unter einer für sie
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