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Der Nobelpreis

Der Nobelpreis

Titel: Der Nobelpreis
Autoren: Andreas Eschbach
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als chancenlos. Dass jemand ihr den Nobelpreis mittels Bestechung zu verschaffen versuchte und sich mit seinem Ansinnen dann ausgerechnet an den vermutlich einzigen Stimmberechtigten wandte, der ohnehin längst beschlossen hatte, für Sofía Hernández zu stimmen – das war schon fast tragisch.
    »Darf ich Ihr Schweigen als Einverständnis werten?«, erkundigte sich der Mann mit den weit auseinander stehenden Augen. Er machte eine entschuldigende Geste. »Ich muss meinen Auftraggebern Ihre Antwort übermitteln.«
    Hans-Olof zog den Schreibtischstuhl zu sich heran, aus dem absurden Gefühl heraus, wie er später erzählte, er müsse einen Sicherheitsabstand zu dem Geld einhalten, und ließ sich erschüttert darauf nieder. »Sie sind verrückt. Packen Sie sofort Ihr Geld, und machen Sie, dass Sie hinauskommen.«
    Der Mann stieß einen vernehmlichen Seufzer aus und sagte leise: »Sie machen einen Fehler, wenn Sie jetzt ablehnen. Glauben Sie mir.«
    »Hinaus«, flüsterte Hans-Olof.
    »Das ist ein gut gemeinter Ratschlag.« Der Mann schüttelte den Kopf, aber nicht tadelnd, eher besorgt. »Sie sollten das Geld nehmen und tun, was von Ihnen verlangt wird.«
    »Hinaus.«
    »Nehmen Sie es. Tun Sie sich einen Gefallen, und nehmen Sie es.«
    » Hinaus! « , brüllte Hans-Olof. »Verlassen Sie augenblicklich mein Büro, oder ich rufe die Polizei!«
    »Schon gut.« Der Mann hob die Hände und stand auf. »Schon gut. Wie Sie wollen. Kein Problem.« Er drehte den Koffer zu sich um, ließ den Deckel zuklappen und drückte die Verschlüsse herab, die nacheinander mit einem Geräusch wie zuschnappende Handschellen einrasteten. »Aber Sie werden sich noch wünschen, Sie hätten auf mich gehört.«
    »Kein Wort mehr.«
    Der Mann sagte tatsächlich kein Wort mehr. Er nahm seinen dunkelbraunen Koffer vom Tisch, als wäre nichts darin, höchstens Altpapier, wandte sich ab und verschwand, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    Das Geräusch, mit dem die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, schien Ewigkeiten im Raum zu hängen, gar nicht mehr verklingen zu wollen. Oder hallte es nur in seinem Kopf wider? Hans-Olof stemmte sich hoch, ging zum Waschbecken, betrachtete sich in dem Spiegel darüber, schob fahrig ein paar seiner dünn werdenden weißen Strähnen zurecht. Rote Flecken im Gesicht, die Äderchen auf der Nase unübersehbar. Sein Blutdruck war jenseits von gut und böse, natürlich. Adrenalinüberschuss, und wie. Er brauchte einen Antagonisten, nein, etwas anderes … Er versuchte sich im Geist die biochemischen Regelsysteme zu vergegenwärtigen, die die Parameter des Blutkreislaufs regelten, die Punkte darin, an denen pharmakologische Wirkstoffe ansetzten. Aber er war zu aufgeregt, um sich konzentrieren zu können. Schließlich nahm er einfach ein halbes Dutzend Baldrianpillen aus einem unbeschrifteten braunen Fläschchen in seinem Schreibtisch und spülte sie mit etwas Wasser hinunter. Dann ließ er sich in seinen Schreibtischstuhl fallen und wandte das Gesicht zum Fenster, um darauf zu warten, dass Bosse Nordin in sein Büro kam oder die Wirkung der Tabletten einsetzte.
    Bosse kam nicht. Hans-Olof saß lange da und starrte in das dunkle, leere Zimmer gegenüber. Schließlich drehte er sich zum Schreibtisch um, nahm den Hörer auf und wählte die Nummer des Nobelkomitees. Er nannte seinen Namen, als eine der beiden Sekretärinnen sich meldete, und sagte: »Ich brauche einen Termin beim Vorsitzenden. So schnell wie möglich.«

KAPITEL 5
    Mit seinem vollen, weißen Haar und den dreiteiligen englischen Anzügen, die er zu tragen pflegte, hatte Ingmar Thunell, der Vorsitzende des Nobelkomitees, etwas von einem Grandseigneur an sich. Er war einer der ältesten Professoren des Instituts; nach Ende seiner dreijährigen Amtszeit als Chairman des Komitees würde er sich voraussichtlich emeritieren lassen – eine Perspektive, der nicht wenige im Kollegium sehnsuchtsvoll entgegensahen.
    »Hmm«, sagte er bedächtig, als Hans-Olof mit seinem Bericht fertig war. Dann lehnte er sich im Sessel zurück, einem schweren braunen Ohrensessel mit goldenen Polsternägeln, stellte die gespreizten Finger seiner Hände gegeneinander und sah sein Gegenüber mit undurchdringlichem Blick an. »Und was soll ich jetzt Ihrer Meinung nach tun?«
    Diese Frage erstaunte Hans-Olof. Thunell galt als unumstrittene Kapazität auf dem Gebiet der Zellmembran, aber selbst Gutwillige sagten über ihn, er lebe seit geraumer Zeit in seiner eigenen Welt. Die Übrigen meinten
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