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Der Name der Welt

Der Name der Welt

Titel: Der Name der Welt
Autoren: Denis Johnson
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können.
    «Du lieber Himmel! Sie sind ja schlimmer als ein Kind!», sagte der Junge.
    Zu fünft standen sie auf meiner kleinen Veranda und schoben einander mit den Schultern beiseite, um durch die geöffnete Tür ins dunkle Innere spähen zu können, während ich meine Brieftasche aus dem Leinensakko holte.
    Der Fahrer beriet sich mit den anderen, bis er begriff, dass ihm das nichts half; sie waren alle so jung und betrunken und perplex und schadenfroh, dass er am Ende doch beschloss, die Polizei zu rufen.
    Ich ließ sie herein, während er mein Telefon benutzte. In meinem Wohnzimmer tummelte sich nun eine Art Monster jugendlicher Gesundheit und Kraft.
    «Nichts als Kartons», wiederholte einer.
    «Können Sie hier kein Licht anmachen?»
    «Hör zu, du Früchtchen», sagte ich. «Die Tasten leuchten auf, wenn du das Telefon abnimmst. Ansonsten kannst du gern in die Stadt fahren und dir einen Münzfernsprecher suchen.» Inzwischen wäre ich fähig gewesen, einfach alles zu sagen. Von Minute zu Minute wurde ich enthemmter und lächerlicher, idiotischer und wütender auf mich.
    In einem Streifenwagen kamen zwei Polizisten und trafen uns draußen vor der Tür in einer Anordnung an, wie man sie von Feldsportarten kennt: Fünf aus einer Mannschaft umringen einen, der jeden Moment loslaufen könnte. Einer der Polizisten übernahm die Verhandlung, während der andere stumm neben ihm stand und nur ab und zu vermittelnd eingriff, indem er in Richtung der Jungs «Pst» machte.
    Der Junge erklärte, was sich ereignet hatte, hastig, aber mit Wiederholungen, indem er immer wieder «Der Wagen meines Vaters!» und «Wir sind einfach nur da langgefahren!» sagte.
    «Ist das der aktuellste Führerschein, den Sie haben?», fragte mich der Polizist. Ich bejahte.
    «Sein Haus ist voller Kartons. Er zieht um, Officer. Der Wagen meines Vaters!»
    «Wie viel hast du denn heute Abend getrunken, Junge?»
    «Ich?»
    «Ja, mit dir rede ich.»
    «Ich? Naja. Ein paar –»
    Ein Zweiter meldete sich zu Wort. «Ich habe gar nichts getrunken, Officer. Und ich bin den Wagen auch gefahren.»
    «Also», sagte ein anderer Freund. «Wir hatten zwei Sechserpacks. Das macht – zwei Bier für jeden, stimmt’s?»
    «Wir sind eben ehrlich, Officer.»
    «Wir wollten nur nach Hause. Wollten direkt nach Hause.»
    «Geht ihr Jungs auf die Henry Harris?»
    «Jawoll, Sir. Wir waren bei dem Spiel. Wollten nur wohlbehalten nach Hause.»
    «Ehrlich, Officer, ich hab kein einziges Bier getrunken, das schwör ich bei Gott.»
    «Dann wirst du heute deine Freunde nach Hause fahren.» Der Polizist leuchtete jetzt mit seiner Taschenlampe jedem Einzelnen ins Gesicht, auch mir, und fällte mit Nachdruck eine schnelle Entscheidung. «Was das hier angeht; Ich werde heute Abend gar nicht mehr den Versuch machen, aus euch und euren Dummheiten schlau zu werden. Wir nehmen das morgen früh in der Wache auf, wenn alle nüchtern sind.»
    «Sein Haus ist voller Kartons – der verschwindet doch aus der Stadt!»
    «Ich habe alle nötigen Angaben hier auf seinem Führerschein und seinem Universitätsausweis.»
    «Universität? Er ist an der Universität! An welcher Universität haben sie den denn aufgenommen? Sie gehören gefeuert», schlussfolgerte der junge.
    «Oder ich lass dich jetzt ins Röhrchen pusten, Junge, und wir kriegen dich wegen Alkoholkonsum von Minderjährigen dran.»
    «Oh», sagte der Junge. «Tut mir leid. War mir nicht klar. Danke, Officer.»
    Auch die anderen bedankten sich mit einer gemurmelten Unterwürfigkeit, die umso mitleiderregender war, als sie authentisch wirkte.
    Der Polizist sagte: «Mr. Reed. Sie kommen doch morgen, stimmt’s?»
    «Sagen Sie mir, wann.» Aber ich hatte nicht vor, mich dem auszusetzen. Ich fühlte mich glücklich und belebt, und ich wollte noch in dieser Nacht in meinem BMW voller Kartons die Stadt verlassen, in hohem Tempo, weit schneller als erlaubt.
    «Wenn mein Vater das Geld für diese Windschutzscheibe nicht bekommt –»
    «Junge, er wird da sein. Und du kommst auch. Alle nüchtern um acht Uhr morgens.»
    «Um acht!»
    «Na. Sonst gehe ich immer um sieben nach Hause. Ich mache extra für euch Überstunden.»
    «Wir auch? Wir alle?», sagte ein anderer.
    «Einer von euch kommt lieber mit. Wer, ist mir egal. Nur damit wir zwei Zeugen haben.»
    Der junge, dessen Vater das beschädigte Fahrzeug gehörte, ergriff meine Hand und schüttelte sie mit einer Art postkathartischen Wohlwollens. «Dann bis morgen früh, Sir. Und macht euch
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