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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit
Autoren: Daniel Scholten
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jetzt vor der Kälte des Winters.
     
    Die Polizistinnen Annika und Britt saßen da und glotzten. Maria 13 parkte mit eingeschalteten Scheinwerfern oberhalb des Strandbads von Långholmen. Die Wischer quietschten über die Scheibe, doch sobald Annika Holmqvist den Hebel auf Intervall stellte, bewältigten sie den Schnee nicht mehr.
    Dieser Schneesturm hatte mit nichts Ähnlichkeit, was Annika in den vierunddreißig Jahren ihres Lebens erlebt hatte. Obwohl er erst seit einer Stunde wütete, mitten durch die Bescherungszeit. Wie viele Menschen er nach der Messe wohl in
der Kirche gefangen hielt? Der Wind war so heftig, dass sie es längst aufgegeben hatte, die Höhe des gefallenen Schnees zu schätzen, aber bereits auf der Fahrt hierher waren sie kaum vorangekommen. Annika hatte den Wagen nah am Hang geparkt. Die Frage, wie sie später unbeschadet wenden und es bis zur Brücke schaffen sollte, saß als flaues Gefühl in ihrem Bauch.
    Britt seufzte auf dem Beifahrersitz und wischte zum achten Mal mit ihrem benutzten Taschentuch über die beschlagene Seitenscheibe. »Alle haben sich weiße Weihnachten gewünscht.«
    »Wie in einer antiken Tragödie«, sagte Annika. »Jemand wünscht sich etwas Wunderbares, und wenn er es bekommt, ist es ganz und gar schrecklich.« Sie zog energisch am Hebel; die Wischer verdoppelten ihre Frequenz, und die Scheibe war für einen Augenblick klar. »Da! Sie kommt zurück.«
    Die Eskimofrau trat ins Scheinwerferlicht. Ihr Körper wackelte wie bei einem Pinguin, fiel Annika auf, aber vielleicht war das die beste Art, durch hohen Schnee zu stapfen.
    Die Rechtsmedizinerin öffnete die Tür, hievte ihre Tasche auf den Sitz und klopfte sich den Schnee von den Stiefeln.
    Annika schaltete das Gebläse ab, damit sie besser sprechen konnten. Doch die sonderbare Frau auf der Rückbank schwieg und machte sich minutenlang Notizen. Es sah aus, als löste sie Rechenaufgaben.
    »Ist sie tot?« Inzwischen waren Annika Zweifel gekommen, ob sie nicht zu voreilig gewesen waren. Nach dem Einsatzbefehl waren sie selbst zum Ufer hinabgestiegen. Weil sie in Zentral-Söder Dienst taten und in ihrer Zeit als Streifenpolizistinnen zwölf an Unterkühlung gestorbene Obdachlose gefunden hatten, hatten sie unten am Ufer nicht lange herumdiskutiert. Nur der Umstand, dass die Tote keine Obdachlose war, irritierte sie.

    Die Eskimofrau nickte nur. »Ein Nachbar hat sie gefunden?«, fragte sie schließlich.
    »Esbjörn Fors«, las Britt von einem der Zettel ab, die sie nach jeder Meldung ans Armaturenbrett klemmte.
    »Wo gibt es hier Nachbarn?« Die Rechtsmedizinerin sprach in eigenartigem Tonfall.
    Hinter dem Wagen lag das alte Gefängnis, in dem heute ein Hotel war, aber sonst gab es weit und breit nur Bäume und vereinzelte Holzhäuser, in denen im Winter niemand lebte.
    »Es ist komplizierter«, setzte Britt an. »Er ist Pensionär und wohnt jenseits des Kanals in der Bergsundsgatan. Er kommt dreimal am Tag mit seinem Hund herüber nach Långholmen, wobei er anscheinend immer die ganze Insel umrundet. Der Einsatzzentrale hat er die Sache so beschrieben: Heute Morgen war der Strand menschenleer und von der Frau angeblich nichts zu sehen. Bei seiner Nachmittagsrunde saß die Frau dann da, als er herkam. Am Ende seiner Runde saß sie immer noch unverändert an derselben Stelle. Inzwischen hatte es zu schneien begonnen.«
    Die Rechtsmedizinerin betrachtete Britt schweigend über den Rückspiegel.
    Britt fuhr fort. »Er war in Eile, weil er zur Bescherung bei seiner Schwester in Upplands-Väsby wollte. Unterwegs im Auto fiel ihm dann auf, dass die Gestalt sich überhaupt nicht gerührt hatte zwischen den beiden Malen, wo er sie sah. Und da rief er zur Sicherheit an.«
    Einem Anruf dieser Art wurde am Weihnachtsabend nicht gerade mit der höchsten Priorität nachgegangen. Das war allen im Wagen klar.
    »Jetzt ist er in Upplands-Väsby«, folgerte die Ärztin.
    Annika registrierte eine leichte Verärgerung in der Stimme. Das ließ sich bei ihrem mechanischen Tonfall nicht leicht heraushören. Vielleicht war es auch Sarkasmus. »Er hat um 16
Uhr 04 angerufen«, sagte sie. »Nicht mehr als eine Viertelstunde war vergangen, seit er hier am Strand war. Genauer wissen wir es nicht.«
    »Um die Mittagszeit war er auch hier, behauptet er? Wann war das?«
    »Das weiß er nicht genau. Die Sonne stand jedoch schon tief hinter den Baumwipfeln, gab er an. Gegen drei vielleicht.«
    »Jetzt ist es 17 Uhr 29«, sagte die Ärztin. »Der
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