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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit
Autoren: Daniel Scholten
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mit einiger Verzögerung, welche Möglichkeiten die Verwandlung der Welt ihrem Tatendrang eröffnete, und lächelte. Gemeinsam betrachteten sie die vorbeischwebenden Flocken, bis das Telefon klingelte.

    »Jetzt ruft sie an«, flüsterte Kjell.
    Er hörte Ida ins Telefon sprechen. Sie verstummte und erschien hinter ihnen in der Balkontür. »Per Arrelöv ist für dich am Apparat.«
    Per? Was wollte er? Ihm frohe Weihnachten wünschen? Kjell fuhr herum und tauschte Lilly gegen das Telefon ein.
    »Hoffentlich nichts Dienstliches«, sagte Ida.
    Kjell schüttelte den Kopf. Der Kriminaltechniker rief niemals den Kommissar an. Außerdem dauerte Kjells einjähriger Erziehungsurlaub noch acht Tage. »Per? Frohe Weihnachten!«
    »Cederström? Gott sei Dank. Frohe Weihnachten.«
    Pers Stimme klang weniger schroff als sonst. »Es ist hoffentlich nichts Dienstliches?«, fragte Kjell darum zur Sicherheit.
    »Kann man nicht sagen.« Pers Stimme klang gar nicht freundlicher, sie klang bloß erschöpft. »Du hast doch ein Boot, Cederström, oder?«
    »Ein Segelboot.«
    »Nein, ein kleines Ruderboot hast du auch.«
    »Ein Kajak.« Kjell beugte sich über die Brüstung, damit er wieder den Steg unten vor dem Haus sehen konnte. Das Kajak schimmerte blassrot in dem Gestell, in dem auch die Boote der Nachbarn eingewintert waren. Im vergangenen Sommer war er nur zweimal damit gefahren und erwog deshalb, es gegen ein offenes Kanu einzutauschen. Dann könnten er und Lilly im kommenden Sommer damit Abenteuer erleben.
    »Hör mal, Cederström! Wir sind ganz in deiner Nähe. Långholmens Strandbad.«
    Kjell hob den Blick. Bei diesem Schneefall verlor sich die Sicht nach dreißig Metern, bei besserer Witterung reichte sie weit über die Nachbarinsel Långholmen hinaus, weiter über den Fjord bis zum Stadthaus.
    »Wir haben hier eine Selbstmörderin«, sagte Per.

    Kjell war verwundert, dass der Leiter der Kriminaltechnik sich überhaupt an ihn erinnern konnte. Er war immerhin ein ganzes Jahr lang zu Hause geblieben, bis auf wenige Abstecher ins Polizeigebäude, wo er Per nie begegnet war. Und Per Arrelöv war bekannt dafür, eine halbe Stunde nach Feierabend frei von jeder Erinnerung zu sein. »Du solltest lieber jemand aus Kungsholmen anfordern«, sagte Kjell deshalb.
    »Sie sitzt in einem Liegestuhl so dämlich vor dem Wasser, dass wir sie nur von hinten fotografieren können.«
    Per brauchte also gar nicht ihn, erkannte Kjell. Er brauchte das Boot. »Wir?«
    »Ich und meine Leute. Die Speckrobbe war zuerst da.«
    »Suunaat? Verdammt, Per, das klingt nach einer Schnapsidee. Du glaubst doch wohl nicht, dass ich das Kajak durch den tiefen Schnee zu euch hinüberschleppe! Sie sitzt in einem Stuhl?«
    »Ein Liegestuhl, ja.«
    »Könnt ihr den nicht fünf Meter landeinwärts tragen? Sonst bist du auch nicht pingelig.«
    »Zu viele Leute von der Schutzpolizei hier. Der Bericht ist auch schon fertig. Wenn die Revision sieht, dass wir bei den Fotos geschlampt haben, und dann das heutige Datum liest, bekomme ich wieder Ärger.« Das war zum letzten Mal im Sommer der Fall gewesen, als der Revision auffiel, dass die angeblichen Verkehrsstaus, mit denen die Techniker ihre stundenlange Verspätung erklärten, immer genau dann aufgetreten waren, wenn im Fernsehen ein Europameisterschaftsspiel lief. Bedachte man das Abschneiden der schwedischen Mannschaft, hatte sich die Abmahnung nicht gelohnt, fand Per im Nachhinein. »Kannst du nicht zu uns paddeln? Da bist du doch im Nu da.«
    Weiße Wolken stiegen aus Kjells Nase. »Woher willst du wissen, dass der Wind nicht wieder aufzieht?«

    »Das behauptet jedenfalls die Speckrobbe. Von solchen Sachen hat sie eine Menge Ahnung.« Per verstummte. Jetzt wartete er auf eine Antwort.
    Er war Per ziemlich viele Gefälligkeiten schuldig, erinnerte sich Kjell. Die konnte er jetzt mit einem Schlag zurückzahlen. »Ich schaue, was sich machen lässt«, sagte er und legte auf.
    Ida würde ihn auslachen, aber andererseits hatte sie großes Verständnis für jede Form von selbstzerstörerischem Wahnsinn.
    »Du bist völlig verrückt«, sagte sie jedoch, während er vor den offenen Türen des Kleiderschranks stand und einen verzweifelten Blick auf seine Winterkleidung warf.
    Lilly begann, auf Idas Arm zu zappeln. »Ganz ruhig, Papa geht nur ein bisschen Boot fahren«, flüsterte Ida. »Am besten nimmst du deine Skisachen. Die machen sich jetzt richtig bezahlt! Außerdem brauchst du eine Badehaube. Falls du eine Eskimorolle
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