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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit
Autoren: Daniel Scholten
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wenn sie aufwacht?«
    Ida streckte den Arm in die Höhe. In ihrer Hand erkannte Kjell das rosafarbene Babyphon. »Lilly wacht nie auf, das weißt du.« Sie trat vorsichtig ans Ufer. »Jetzt passieren die Morde schon vor unserer Haustür, damit du deinen Erziehungsurlaub nicht so lange unterbrechen musst.«
    »Es war Selbstmord, Ida. Das siehst du doch!«
    »Frierst du?«
    Das tat er, aber die Antwort wurde von Suunaat Kjærgaard durchkreuzt. Sie kam den Hang herabgestapft und postierte sich neben Ida am Ufer. »Alkohol und Benzodiazepin.«
    »Also ein klassischer schwedischer Selbstmord«, murmelte Per, der gerade im Liegestuhl probesaß.
    »Was ist daran klassisch?«, fragte Ida.
    Per sah erstaunt auf. »Rohypnol und ein malerisches Ambiente. So sind sie alle, unsere Selbstmorde.«
    »Siebzig Prozent«, sagte Suunaat in ihrem etwas roboterhaften Tonfall, womit sie andeuten wollte, dass die anderen
dreißig Prozent der Selbstmörder beim Sterben auf Behaglichkeit verzichteten. »Ich schicke dir den Bericht ins Büro.«
    Weil das Boot nah am Ufer zu sehr schaukelte, hatte sich Kjell zurück aufs Wasser treiben lassen. »Ich leiste hier nur Nachbarschaftshilfe. Beruflich habe ich nichts mit der Sache zu tun.«
    Ida hob beipflichtend den Daumen. Morgen früh stand ein Besuch bei Idas Eltern in Uppsala an.
    »Kannst du uns wenigstens den Bericht abzeichnen?«, wollte Per wissen. »Die Lokale steckt irgendwo in Norrmalm. Wir sind auf Platz sieben in der Warteliste. So lange will ich nicht …«
    Ida kreischte. »Kjell! Pass auf! Hinter dir!«
    Er riss den Kopf herum. Zwei Meter hinter ihm quollen weiße Blasen aus der Schwärze des Wassers an die Oberfläche. Was war das? Die Blasen wuchsen zu einer Fontäne von einem halben Meter Höhe, die jedoch bald erstarb. Kjell starrte reglos auf die Stelle. Dann begann das Kajak zu schaukeln. Ida kreischte wieder, und auch die anderen standen am Ufer und blickten entsetzt herüber. Das Schaukeln wurde heftiger und fühlte sich an wie die Bugwellen einer vorbeifahrenden Fähre. Aber hier gab es keine Fähren.
    Er sah sich um. Die Wellen waren konzentrisch. Und Kjell Cederström befand sich im Zentrum. Er stieß das Paddel ins Wasser und zog es durch. Hinter ihm toste es. Etwas Großes und Schwarzes stieg an die Wasseroberfläche. Und schwamm. Kjell starrte auf das riesige schwarze Ding, das einen Meter neben ihm im Wasser trieb. Das war eine Kugel. Er sah die Hälfte einer schwarzen Kugel. Sie war riesig.
    »Was ist das?«, rief jemand am Strand.
    Kjell achtete nicht auf die Frage. Er paddelte wild zum Ufer. Kurz davor riss er das Boot herum und fixierte den Punkt mit den Augen. Aus dieser Entfernung hob sich die Kugel kaum vom schwarzen Wasser ab.

    »Es sieht wie eine Boje aus«, hörte er Suunaats tiefe Stimme sagen.
    »Was soll denn das für eine Boje sein?«, erwiderte Per. »Sie ist aus dem Wasser aufgetaucht. Verdammte Scheiße!«
    Das konnte man wirklich sagen. Wenn Ida nicht gekreischt hätte, wäre die Boje unter dem Kajak hochgekommen. Kjell schlug das Herz bis zum Hals.
    »Sollen wir dir aus dem Wasser helfen?«, fragte Ida.
    Kjell schüttelte mechanisch den Kopf.
    »Willst du hin und es dir anschauen?«
    Kjell schüttelte immer noch den Kopf. Da würde er nie und nimmer hinrudern. Er würde überhaupt nie mehr rudern.
    Minuten verstrichen, ohne dass jemand etwas tat oder sagte. Aus der Ferne näherte sich ein Boot. Es schien aus Kungsholmen am anderen Ufer zu kommen und fuhr mit hoher Geschwindigkeit.
    Niemand sagte etwas, bis das Boot sich auf dreißig Meter genähert hatte. Kjell ließ sich mit zwei Paddelstrichen hinaus aufs Wasser treiben. Zwei Scheinwerfer erstrahlten und suchten das Wasser ab. Kjell hielt sich die Hand als Blendschutz vor die Augen, als beide Scheinwerfer auf ihm stehen blieben.
    »Wer bist du denn?«, rief eine Megaphonstimme.
    »Polizei!«, brüllte Kjell.
    Die Antwort war ein mehrstimmiges Kichern. Weitere Lichter wurden eingeschaltet und erhellten das Boot, das von beachtlicher Größe war. Der Schiffsmotor verstummte. Dafür gab ein Krangewinde am Heck quietschende Geräusche von sich.
    Kjell erwiderte die Frage und ruderte zum Schiff.
    »Wir sind vom Wetteramt«, sagte ein Mann, der sich über die Reling zu Kjell herabbeugte und sehr verwundert aussah. Wir bergen das Auge.«

    »Was für ein Auge denn?«
    »Na, das da.«
    »Die Kugel? Ist das eine Boje?«
    »Ja.«
    »Ich habe sie für eine Mine gehalten!« In Wahrheit hatte er sie für ein
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