Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit
Autoren: Daniel Scholten
Vom Netzwerk:
Die Stelle sah noch unangetastet aus, aber im nahen Umkreis kämpften die Techniker mit Schaufeln gegen das Wetter. Während
einer den Schnee weghob, suchte ein anderer den Boden mit einer Taschenlampe nach Gegenständen ab.
    Ein solches Durcheinander hatte Kjell bisher nur in seinem Kellerabteil und nach einem Flugzeugabsturz gesehen. Mitten in dieser weiträumigen Szene leuchtete Pers rote Nase. Offenbar hatte sich Kjell soeben aus der Dunkelheit gelöst, denn Per trat winkend ans Ufer. »Es tut mir leid, aber du siehst ja selbst, wie es hier aussieht!«
    Entschuldigungen waren eine seltene Geste an ihm, die nicht durch Schuldgefühle ausgelöst wurden, sondern immer dann auftraten, wenn ihn die Lage aufrieb. Er beugte sich über das Wasser und zog das Boot an Land. »Ture hat es mit den langen Gummistiefeln versucht«, sagte er und öffnete die Fototasche. »Aber der Grund ist so glatt, dass Ture sich nach zwei Schritten reingelegt hat.« Das war der Moment gewesen, wo Per an Kjell Cederström gedacht hatte. »Jetzt sitzt er nackt im Transit und lässt sich vom Gebläse aufwärmen.«
    »Was ist mit der Frau?«, fragte Kjell.
    »Hat sich hier ein schönes Plätzchen gesucht, zum Sterben.« Per schniefte, so laut es ging. Das war selbst bei besserem Wetter seine höchste Form der Anteilnahme. »Sieht jedenfalls so aus. Suunaat sitzt auch im Transit und macht einen Schnelltest des Blutes.«
    »Wo ist die Mordkommission?«, fragte Kjell. Außer zwei Streifenpolizistinnen war niemand von der Polizei zu sehen.
    »Sie haben uns soeben mitgeteilt, dass sie es nicht schaffen werden. Angeblich ist in der Stadt die Hölle los. Slussen und die Brücke sind ohnehin gesperrt.« Per hängte den Fotoapparat mit der Umhängeschnur an die Schneeschaufel und reichte sie über das Wasser zu Kjell. »Du weißt ja, welche Bilder wir brauchen.«
    Kjell hängte sich den schweren Apparat um den Hals. Per stieß mit dem Fuß gegen die Spitze des Kajaks. Nachdem Kjell
wieder einige Meter aufs Wasser hinausgetrieben war, begann er zu fotografieren. Der Dreifachblitz zerstörte das seltsame Idyll am Ufer.
    »Wir sind bereit, Chef!«, rief Lasse nach einer Weile. Der schlaksige Kerl war seit Jahren Pers linke Hand und würde es auch immer bleiben. Obwohl die Männer vermummt waren, konnte Kjell jeden an seinen Bewegungen identifizieren.
    Die Leute von der Tatorttechnik versammelten sich um die Tote und verharrten. Vor dem Anheben der Leiche sprachen sie gemeinsam ein kurzes Gebet. Das taten sie immer, und au ßer den Todesermittlern wusste nicht einmal der liebe Gott davon.
    »Ich weiß, dass mein Erlöser lebt«, hörte Kjell Pers Stimme dumpf durch das Knistern der Schneeflocken hindurch. »Am Ende aller Tage wird er mich auferwecken von der Erde.«
    Die Männer deuteten ein Nicken an. Dann griffen Per und Lasse unter die Schultern der Frau. Janne packte die Füße. Sie hoben den Körper aus dem Liegestuhl und betteten ihn auf die Bahre. Lasse rutschte aus und schlitterte ein Stück auf dem Bauch die schräge Wiese hinab. Ein jämmerliches Schauspiel, für das der große Dramaturg im Himmel stets den linkischen Lasse auserkor. Kjell hörte ihn fluchen, während er zurück zur Bahre krabbelte.
    Kjell kratzte sich an der Schläfe. Seine Mütze juckte unentwegt. Er hatte erwartet, dass der tote Körper in seiner Sitzposition erstarrt war, aber augenfällig war das nicht der Fall. Als die Männer die Bahre anhoben, lag die Leiche ausgestreckt darauf.
    Der Liegestuhl war jetzt leer. Die Frau hatte noch sehr jung ausgesehen. Als Chef der Reichsmordkommission, der obersten Instanz der schwedischen Todesermittler, hatte Kjell nie
mit Selbstmördern zu tun, deswegen wunderte er sich, dass sie einen Liegestuhl aus massivem Holz hierhergeschleppt hatte. Und dazu noch den Sonnenschirm. Er erweckte den Eindruck, als hätte sich die Frau über sich selbst lustig machen wollen. Kjell machte weitere Bilder, während die Männer oben am Hang vor den offenen Flügeltüren des Transits standen. Sie beabsichtigten, den Leichnam damit zur Rechtsmedizin zu bringen, was streng verboten war.
    Plötzlich tauchte Ida neben dem Wagen auf. Sie beobachtete das Treiben im Fond und wirkte mit ihrem hellen Haar wie eine Schneekönigin. Auch Per bemerkte sie sogleich.
    »Und was ist mit Lilly?«, rief Kjell von seinem Platz im Boot aus, als alle wieder unten beim Schirm standen und Ida den Kaffee ausschenkte, den sie mitgebracht hatte.
    »Sie ist eingeschlafen.«
    »Und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher