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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit
Autoren: Daniel Scholten
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Temperaturausgleich ist abgeschlossen.«
    Annika und Britt drehten sich zur Rückbank um.
    »Sprichst du von der Leiche?«, fragte Britt.
    »Ihre Kerntemperatur liegt bei null Grad.«
    »Geht das so schnell?«
    Suunaat schüttelte den Kopf.

2
    Lilly Cederström saß auf dem Sofa und presste den riesigen Telefonhörer an ihr Ohr. Nach dem dreißigsten Tuten wartete sie mit derselben Spannung wie beim ersten darauf, dass sich ihre ältere Schwester Linda in der Ferne meldete.
    Kjell nahm seiner Tochter den Hörer aus der Hand und legte auf. »Da müssen wir es wohl morgen noch einmal versuchen«, sagte er und seufzte.
    Klein-Lilly seufzte ebenfalls. Sie seufzte immer mit, wenn ihr Vater seufzte.
    Das Familienglück der Cederströms würde also an diesem Weihnachtsabend nicht gänzlich vollkommen werden, dachte Kjell und sah denselben Gedanken in den hellblauen Augen seiner Freundin Ida, die stets eine leichte Unsicherheit an den Tag legte, wenn es um ihn und Linda ging, die aus seiner ersten Ehe mit Madeleine stammte. Nach Madeleines Tod hatte
er jahrelang allein mit Linda gelebt und war nicht auf die Idee gekommen, dass noch jemand zu seinem Glück fehlen könnte. Bis Ida, die zehn Jahre jünger als er war, in sein Leben trat.
    Klein-Lilly war rechtzeitig zur Welt gekommen, bevor Linda endgültig in dieselbe hinausgeschritten war, um die Malerei zu studieren. Es sei gut für eine junge Malerin, während der ersten Hälfte ihres Studiums in Europa herumzuvagabundieren. Das hatte sie behauptet und so entschlossen dreingeblickt, dass ihm nur die Einwilligung geblieben war. Ein halbes Jahr später hatte Ida ihn beim Abtrocknen des Geschirrs ermahnt, seinen Gram endlich abzulegen. Nicht einmal verprellte Geliebte kamen zurück, und erwachsene Töchter schon gar nicht. Zumal er selbst seinem Vater einst erklärt hatte, sein Leben ergebe nur in Paris einen Sinn. Natürlich hatte er nicht Malerei studiert, sondern klassische Literatur an der Sorbonne. Um dann Kriminalkommissar in Stockholm zu werden.
    Die vergangenen Monate hatte er jedoch nicht im Büro verbracht, sondern unten am Steg vor dem Haus. Dort hatte es Klein-Lilly in Windeseile zur Meisterschaft im Entenanlocken gebracht, während Ida mehr oder minder freiwillig vier Monate nach Lillys Geburt zu ihrem Antiquariat in der Drottninggatan zurückgekehrt war. Daneben war sie noch an der Universität und der Wissenschaftsakademie angestellt. Doch weil die Gesellschaft unfähig war, sich Idas Charakter anzupassen, war der Kontakt lose. Ida gab das hiesige Fachjournal für Mathematik heraus und verbrachte die meiste Zeit damit, in ihrem Buchladen zu sitzen, eingereichte Beiträge zu begutachten und hitzige Telefonate mit den Autoren der Beiträge zu führen. Inzwischen hatte sich in der Welt der Mathematik herumgesprochen, dass eine Veröffentlichung im Schwedischen Journal für reine Mathematik einem Nobelpreis im Telefonieren gleichkam.

    »Da stimmt etwas nicht«, zischte Kjell in Idas Richtung, damit Lilly nichts mitbekam.
    »Bestimmt ist sie bei einer Weihnachtsfeier«, sagte Ida. »Ist doch klar, dass sie heute Abend nicht allein in einem Zimmer im Studentenwohnheim sitzt und glotzt.«
    »Da stimmt etwas nicht«, wiederholte Kjell und versuchte, seine Kiefermuskeln zu entspannen. »Sie hätte angerufen.«
    Er musste unbedingt etwas unternehmen, aber da Linda in Wien lebte, war er machtlos.
    Ida hob die Schultern. Sie hatte sich längst daran gewöhnt, dass Bande zwischen ihnen bestanden, die nicht abrissen, egal wie alt und erwachsen Linda auch wurde, und die anderen Menschen zuweilen sonderlich vorkamen. Sie konnte nichts anderes tun, als die Schultern wieder sinken zu lassen.
    Kjell nahm Lilly in den Arm und deutete zum Fenster, um sie von der Enttäuschung abzulenken, die vielmehr seine war. Er öffnete die Balkontür und trat ins Freie. Der Sturm hatte so plötzlich aufgehört, wie er begonnen hatte. Nur der Schnee fiel unvermindert weiter. »Sieh mal«, flüsterte er verschwörerisch. »Die ganze Welt ist verschwunden.«
    Klein-Lilly hatte in ihrem kurzen Leben noch keinen Schnee gesehen. Der Steg vor dem Haus, ihr zweites Kinderzimmer, war ebenso verschwunden wie die Straße mit den parkenden Autos. Zwei Nachbarn traten gleichzeitig aus dem Haus und winkten einander mit ihren Schneeschaufeln zu. Lilly war noch in einem Alter, wo man schwieg, wenn man keine Erklärung für etwas hatte.
    »Morgen können wir runtergehen und im Schnee spielen.«
    Lilly erkannte
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