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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit
Autoren: Daniel Scholten
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Johansson nicht mehr in Stockholm, sondern in Karlstad wohnt und in einem Krankenhaus liegt«, erklärte Kjell also. »Er reiste dorthin, um sie zu besuchen. Das Krankenhaus war aber in Wahrheit ein Sanatorium. Ellen wurde kurz nach ihrem Umzug nach Westschweden eingewiesen, wegen einer schweren Schizophrenie, die organisch war. Zu sehen bekam er sie damals nicht. Er kehrte nach Portugal zurück. Vor kurzem kam sie ihm wieder in den Sinn. Als er sich erkundigte, was aus ihr geworden war, erfuhr er, dass sie bereits vor siebzehn Jahren an einem Schlaganfall gestorben ist.«
    »Das arme Kind. Wie alt war Sofi damals?«
    »Etwa zehn. Sie ist bei einer Pflegefamilie in Westschweden aufgewachsen. Nach Stockholm kehrte sie erst während des Studiums zurück. Von der Verwaltung des Krankenhauses erfuhr er beiläufig, Ellen Johansson habe eine Tochter. Wie er 1982 auf die Idee kam, Ellen könnte von ihm ein Kind erwarten, weiß ich nicht, aber als er jetzt hörte, dass Ellen tatsächlich eine Tochter hat, die im richtigen Alter ist, um damals in Lissabon gezeugt worden sein zu können, da hat er nicht mehr losgelassen. Das Amt in Karlstad fand für ihn heraus, wo diese Tochter heute lebt. Und dabei kam heraus, dass Sofi genau neun Monate nach Lissabon geboren wurde. Im Volksbuch war kein Vater eingetragen. Angeblich ist er schon seit Wochen hier in Stockholm. Es hätte ja sein können, dass Ellen damals viele Männer hatte. So stellte er sich als Südeuropäer die Sitten hier in Schweden vor. Sofis Teint gab ihm die Gewissheit, dass der Vater nie und nimmer Schwede sein kann.«

    Tholander hatte ein Porträt von Sofi parat. Ihre schwarzen Haare verzückten die alten Damen.
    »Heiligabend wollte er bei ihr klingeln.«
    »Als Weihnachtsgeschenk«, murmelte Tholander.
    »Aber sie war nicht da. Sie haben sich mehrmals verpasst.«
    Der Vater hatte ihr Nachrichten hinterlassen. Worte wollte er dabei nicht gebrauchen, deswegen hatte er gezeichnet.
    »Verstehe ich dich richtig?«, sagte Elsa. »Sofi weiß gar nicht, dass er ihr Vater ist?«
    »Das Einzige, worüber ich mir bei Sofi Johansson sicher bin, ist, dass sie nicht weiß, wer ihr Vater ist. Auf dieser Ungewissheit beruht ihr gesamtes Wesen.«
    Elsa betrachtete wieder das Foto des Mannes und seufzte. »Es ist bald dreißig Jahre her. Ihr bei der Polizei habt doch Methoden, um herauszufinden, ob er ihr Vater ist!«
    »Leider ist Sofi seit gestern verschwunden, und heute klingelt er an ihrer Tür und tischt uns diese Geschichte auf. Er sitzt jetzt im Untersuchungsgefängnis. Ohne Beweis lassen wir ihn nicht frei, solange Sofi nicht wieder auftaucht.«
    Und wenn dieser Mann ihr Vater war, verringerte sich die Wahrscheinlichkeit, dass Sofi gegen ihren Willen verschwunden war. Sie konnte dann zwar immer noch in der Hand der unbekannten Frau sein, aber alle unerklärlichen Ereignisse, die in der vergangenen Woche in Sofis Privatleben vorgefallen waren, hätten nichts mit dem Fall zu tun.
    »Das kannst du uns nicht weismachen«, sagte Charlotta. »Ihr habt doch bestimmt genetische Gegenproben von allen Polizisten. Und ihre Wohnung wird ja nicht auch verschwunden sein. Da müsst ihr nur eine Haarprobe nehmen.«
    »Ja.«
    Charlotta lächelte milde. »Du traust dich nicht ohne ihre Einwilligung.«
    »Ja.«

    »Hast du die Geschichte von damals heute Abend von ihm erfahren?«
    »Ja.«
    Elsa legte die Fotos von Sofi und ihrem angeblichen Vater vor Kjell auf den Tisch. Wenn man sie nebeneinanderlegte, war die Ähnlichkeit frappierend. »Dann hast du die Antwort bereits«, sagte sie. »Meine brauchst du nicht.«

DIENSTAG 1. JANUAR

94
    Gleich neben der Uferstraße ragten schwarze Felswände bis in den Himmel. Auf der anderen Seite reichte das Meer bis zum Nordpol. Obwohl Henning auf der Rückbank vom Dröhnen des Motors nicht verstand, was Snæfríður mit dem Polizisten aus Ísafjörður sprach, hörte er durch das Fenster die Wellen rauschen. Es war wirklich die Kante der Welt, an der sie entlangfuhren. Er schloss für ein Weilchen die Augen. Plötzlich hielt der Wagen nach langer Fahrt.
    Snæfríður beugte sich zu ihm nach hinten. »Wir sind da. Das ist das Djúp.«
    Zwei Landzungen von unfassbarer Höhe schlossen einen Fjord ein, genannt ›die Tiefe‹. Das war Huldas Heimat. Der Wind dröhnte gegen die Vorderscheibe des Wagens. Das Wasser war eine schwarze Fläche, nur hin und wieder zeigten sich helle Striche auf den Wellenkämmen.
    »Wo ist denn das Haus?«
    »Da hinten an der
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