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Aufzeichnungen eines Außenseiters

Aufzeichnungen eines Außenseiters

Titel: Aufzeichnungen eines Außenseiters
Autoren: Charles Bukowski
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Carles Bukowski

Aufzeichnungen eines Außenseiters

    Aus dem Amerikanischen von Carl Weissner

    Scanned by Doc Gonzo

VORWORT

    Vor mehr als einem Jahr startete John Bryan irgendwo in Los Angeles seine Underground-Zeitung OPEN CITY . Es fing an in einem Hinterzimmer im Parterre eines kleinen baufälligen Hauses, das er gemietet hatte, dehnte sich bald auf sämtliche Räume aus, und schließlich wurde der ganze Laden ins Ge schäftsviertel an der Melrose Avenue verlegt. Das soll nicht heißen, das Bryan nun ausgesorgt hat. Die Auflage ist zwar gestiegen, aber die Anzeigen kommen nicht rein wie sie sollten. Drüben im vornehmeren Teil der Stadt hat sich die LOS ANGELES FREE PRESS etabliert. Und die kriegen die Anzeigen. Das Dumme ist, daß sich Bryan diese Konkurrenz selbst zu verdanken hat; er hatte nämlich zuerst für die L . A . FREE PRESS gearbeitet und ihre Auflage von 16000 auf mehr als das Dreifache gesteigert. Das ist fast so, als wenn man die National Army aufbaut und sich dann auf die Seite der Aufständischen schlägt. Natürlich, es geht nicht nur um eine Rivalität zwischen OPEN CITY und FREE PRESS . Wenn man OPEN CITY liest, merkt man sehr schnell, daß es um mehr geht. OPEN CITY legt sich mit den Big Boys an — und weiß Gott, es kommen uns gerade in diesen Tagen ein paar renommierte Bosse in die Quere. Es ist also aufregender und riskanter, für OPEN CITY zu arbeiten — den mutigsten Fetzen Zeitung, schätze ich, den wir in den USA heute haben. Aber davon allein kann man sich eben in Gottes Namen noch keine Margarine aufs Toastbrot streichen, und für die Katze fällt dabei auch nichts ab; und bald kommt es so weit, daß man den Toaster verschrotten kann und die Katze in die Pfanne hauen muß. Bryan ist ein verrückter Romantiker und Idealist. Er stieg aus, oder wurde gefeuert, oder beides — damals flog 'ne Menge Scheiße durch die Luft — jedenfalls er verlor seinen Job beim H ERALD EXAMINER , weil er Stunk gemacht hatte, als man dem Jesuskind den Bammelmann und die Eier wegretuschierte. Und das auf der Titelseite der Weihnachtsausgabe. »Und es ist nicht mal mein Gott«, sagte er zu mir, »es ist denen ihrer.« Dieser romantische Idealist gründete also OPEN CITY . »Wie wärs mit einer wöchentlichen Kolumne?« fragte er mich so nebenbei und fummelte an seinem roten Bart. Naja, wissen Sie, wenn ich so an unsere Kolumnisten denke und was für eine müde Soße die sich aus den Fingern saugen, besonders attraktiv erschien mir die Sache eigentlich nicht. Aber ich fing an, nicht mit einer Kolumne, sondern mit einer Besprechung von Papa Hemingway von A. E. Hotchner. Dann, eines Tages, nach dem letzten Rennen und ein paar guten Wetten, hockte ich mich hin und tippte die Überschrift: NOTES OF A DIRTY OLD MAN , machte 'ne Dose Bier auf, und das Schreiben erledigte sich von selbst. Nichts von dem verkrampften Gedrechsel, das gefragt ist, wenn man was für Atlantic Monthly schreibt; aber auch kein 08/15-Journalistengewäsch. Ich saß einfach am Fenster, kippte mein Bier und ließ die Sachen kommen wie sie kamen. Und mit Bryan hatte ich nie Schwierigkeiten. Ich gab ihm ein Manuskript — in den frühen Tagen — und er blätterte es durch und sagte: » OK , gekauft.« Nach einiger Zeit blätterte er es nicht einmal mehr durch, sondern stopfte es einfach in ein Fach und sagte: »Gekauft. Was gibts sonst Neues?« In zwischen sagt er auch nicht mehr, »Gekauft«. Ich drück ihm einfach ein paar Seiten in die Hand und damit hat sichs. Das hat mir natürlich beim Schreiben sehr geholfen. Ich glaube, man merkt es den Texten an. Völlige Freiheit, zu schreiben was man will. Es war eine gute Zeit für mich; ich habe es auch ernst genommen, wenigstens ab und zu; vor allem aber bekam ich mit der Zeit das Gefühl, daß mir das Schreiben immer besser von der Hand ging.
An Direktheit und Action, finde ich, ist es Gedichten um Längen voraus. Ein Gedicht wird zur Veröffentlichung angenommen und man kann sich darauf einstellen, daß es irgendwann nach zwei bis fünf Jahren erscheint, und die Chancen stehen fifty-fifty, daß es überhaupt nicht erscheint; oder daß Zeilen daraus Wort für Wort im Opus irgendeines bekannten Dichters auftauchen, und dann kommt man auf den Trichter, wie beschissen es in der Welt zugeht. Nichts gegen Gedichte; nur gibt es zu viele unmaßgebliche Scheißer, die vorgeben, welche zu schreiben, und der Mist wird dann unweigerlich auch noch irgendwo abgedruckt. Bei den NOTES setz ich mich mit
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