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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle
Autoren: Joseph Wambaugh
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wäre.
    »Verdammt noch mal!« brüllte ich ihn an, als er schließlich wieder auf dem Gehsteig angelangt war. »Komm sofort hierher!«
    »Hallo, Bumper«, krächzte er mir entgegen. Er hielt sich seine fünf Nummern zu große Hose um seine knochigen Hüften und gab sich alle Mühe, einen möglichst nüchternen Eindruck zu erwecken, während er schwankend auf mich zukam.
    »Mensch, Noodles, um ein Haar wärst du überfahren worden!« fuhr ich ihn an.
    »Na und?« grunzte er und wischte sich mit seiner schmutzigen freien Hand den Speichel vom Kinn. Mit der anderen Hand hatte er sich so fest an seine Hose geklammert, daß die Knöchel durch all den Dreck weiß durchschimmerten.
    »Ich habe ja auch nicht gesagt, daß ich mir deinetwegen Sorgen gemacht hätte. Aber ich möchte auf keinen Fall, daß in meinem Revier irgendwelche Lincolns zu Schaden kommen.«
    »Okay, Bumper.«
    »Ich werde dich leider einkassieren müssen.«
    »Aber so besoffen bin ich doch gar nicht, oder?«
    »Nein, aber du bist schon halb am Verrecken.«
    »Seit wann ist das ein Verbrechen?« Er hustete, und der Speichel, der darauf aus seinen Mundwinkeln trat, war rot und schaumig.
    »Ich muß dich leider einkassieren, Noodles«, sagte ich noch einmal und füllte automatisch eines der Formulare für Verhaftungen wegen Trunkenheit aus, die ich immer noch in meiner Gesäßtasche mit mir herumschleppte, als würde ich in meinem Revier Streife gehen und keinen Schwarzweißen fahren.
    »Wie war doch dein richtiger Name? Ralph M. Milton, nicht wahr?«
    »Millard.«
    »Millard«, murmelte ich und trug den Namen ein. Sicher hatte ich Noodles schon ein dutzendmal verhaftet. Ich vergaß nie einen Namen oder ein Gesicht. »Und jetzt laß dich mal ansehen. Augen blutunterlaufen, Gang schwankend, Verhalten stumpfsinnig, Wohnsitz unbekannt …«
    »Haben Sie eine Zigarette?«
    »Ich rauche doch nicht, Noodles.« Ich riß das Formular mit den Durchschlägen aus dem Block. »Aber wenn du dich einen Moment geduldest – die Männer von der Nachtschicht haben ein halbes Päckchen im Handschuhfach liegengelassen. Du kannst sie dir ja schon mal holen, während ich nach einem Wagen rufe, der dich abholen kann.«
    Während der Säufer nun auf den Streifenwagen zuschlurfte, ging ich ein Stück die Straße hinunter, wo eine Notrufsäule stand, die ich mit meinem großen Messingschlüssel aufschloß, um einen Wagen anzufordern, der Noodles von der Main Street, Ecke Fourth, abholen sollte. Es wäre natürlich einfacher gewesen, den Wagen über Funk herzubestellen, aber ich war zu lange Streife gegangen, um mich an die Umstellung zu gewöhnen.
    Daß ich plötzlich nicht mehr Streife ging und statt dessen in einem Schwarzweißen durch die Gegend kurvte, hatte ich meinem Körper zu verdanken. Ein Fußknöchel, den ich mir vor Jahren als blutiger Anfänger im Zuge einer Verfolgungsjagd mit einem Handtaschendieb gebrochen hatte, war zu dem Entschluß gelangt, er könnte meinen fetten Arsch nicht mehr länger durch die Gegend bugsieren. Er schwoll nämlich jedesmal, wenn ich ein paar Stunden auf den Beinen war, merklich an. Also ging ich nicht mehr länger Streife in meinem Revier und bekam statt dessen einen Schwarzweißen.
    Allein in seinem Revier Streife zu gehen, ist der beste Job, den man sich bei der Polizei nur vorstellen kann. Ein Polizist kann deshalb auch immer nur amüsiert lachen, wenn in einem Film irgendein Oberganove oder ein korrupter Politiker mit der Drohung kommt: »Ich werde dafür sorgen, daß Sie für den Rest Ihres Lebens Streife gehen können, Sie blödes, plattfüßiges Arschloch.« In Wirklichkeit ist das nämlich ein heißbegehrter Job. Um Streife gehen zu können, braucht man Koteletten, und man muß groß und kräftig gebaut sein. Wenn nur meine verdammten Beine nicht schlapp gemacht hätten! Aber wenn ich es auch nicht zu Fuß durchstreifen konnte, so war es doch immer noch mein Revier, und jeder wußte, daß es mir mehr gehörte als irgend jemandem anderen.
    »Also gut, Noodles, dann gib dieses Formular den Beamten in dem Wagen, der dich abholen kommt, und sieh zu, daß du die Durchschläge nicht verlierst.«
    »Sie kommen gar nicht mit?« Er schaffte es nicht, sich mit seiner zitternden Hand eine Zigarette aus der Packung zu schütteln.
    »Nein, aber du gehst jetzt mal schön brav zur Ecke da rüber und winkst sie ran, wenn sie vorbeikommen. Sag ihnen, du möchtest gern zu ihnen an Bord kommen.«
    »Das ist das erstemal, daß ich mich selbst
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