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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle
Autoren: Joseph Wambaugh
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Ärger am Hals. Es gibt ja einige durchaus stämmige, aber eben kleine Polizisten, die das nicht wahrhaben wollen, aber es ist nun mal Tatsache, daß die meisten Leute vor einem klein gewachsenen Typen keine Angst haben. Und so ein Kerl müßte dann eben dauernd den starken Mann rauskehren, bis ihm früher oder später jemand seinen Gummiknüppel wegnimmt und seinen Arsch hochschiebt. Natürlich fahre ich inzwischen mit einem Streifenwagen durch die Gegend, aber, wie gesagt, ich fühle mich mehr oder weniger immer noch als Streifenpolizist zu Fuß.
    Das Problem mit meiner Statur besteht darin, daß sie eigentlich für einen Mann mit etwa eins neunzig oder fünfundneunzig geschaffen ist und nicht für meine knapp eins achtzig. Meine Knochen sind massig und schwer, und das gilt insbesondere für meine Hände und Füße. Wenn ich nur so groß geworden wäre, wie es eigentlich für mich vorgesehen war, hätte ich mich nicht mit diesem verdammten Gewichtsproblem herumschlagen müssen. Mein Appetit war offensichtlich für einen Riesen gedacht, wovon ich schließlich sogar diese Polizeiärzte überzeugen konnte, die eine Zeitlang ständig ›Fett-Beschwerdebriefe‹ an meinen Captain schickten, in denen sie forderten, daß ich mein Gewicht auf zwei Zentner reduzierte.
    »Bumper ist eine richtige Ein-Mann-Bande«, erzählte Seymour. »Ich kann Ihnen sagen, der hat hier schon richtige Kriege ausgefochten.« Seymour deutete nach draußen auf die Straße.
    »Jetzt laß aber mal gut sein, Seymour«, versuchte ich, ihn zu stoppen. Aber es hatte keinen Zweck. Wenn mir dieses Gerede auch enorm peinlich war, schmeichelte es mir andererseits doch, daß Parker schon von mir gehört hatte. Ich fragte mich, wie günstig sein ›Sonderpreis‹ wohl ausfallen würde. Meine alte Uhr war nämlich nahe daran, ihren Geist aufzugeben.
    »Wann hast du eigentlich dieses Revier hier zugeteilt bekommen, Bumper?« wandte sich Seymour wieder an mich, gab mir aber keine Gelegenheit, seine Frage zu beantworten. »Tja, das ist jetzt schon fast zwanzig Jahre her. Ich weiß das deshalb, weil ich damals, als Bumper bei der Polizei anfing, noch ein ganz junger Spritzer war. Ich habe hier für meinen Vater gearbeitet. Und das waren ganz schön harte Zeiten. Wir hatten hier eine ganz schöne Menge leichter Mädchen, von den Zuhältern und sonstigen Ganoven ganz zu schweigen. Zu dieser Zeit gab es hier haufenweise Kerle, die dem Revierpolizisten das Leben schwer machten.«
    Ich sah zu Ruthie hinüber, die mich anlächelte.
    »Vor Jahren, als Ruthie gerade hier zu arbeiten angefangen hatte, rettete Bumper ihr mal das Leben, als an der Bushaltestelle an der Second Street so ein Kerl über sie herfiel. Er hat dich doch gerettet, Ruthie, oder nicht?«
    »Und ob er das getan hat. Er ist ein richtiger Held.« Damit schenkte sie mir lächelnd eine Tasse Kaffee ein.
    »Bumper hat die ganze Zeit hier Dienst getan«, fuhr Seymour fort. »Erst ist er Streife gegangen, und jetzt fährt er einen Wagen, weil er ein bißchen Schwierigkeiten mit seinem Fuß hat. Sein zwanzigjähriges Dienstjubiläum steht zwar kurz bevor, aber wir werden auf keinen Fall zulassen, daß er sich schon in den Ruhestand zurückzieht. Ich meine, was wären wir denn ohne unseren Bumper?«
    Als Seymour das sagte, sah Ruthie für eine Weile ernstlich besorgt aus, und das beunruhigte mich.
    »Wann ist denn Ihr zwanzigstes Jahr um, Bumper?« erkundigte sie sich.
    »Ende dieses Monats.«
    »Du denkst doch wohl hoffentlich nicht einmal im Traum daran, dich schon pensionieren zu lassen, Bumper?« drang Seymour in mich.
    »Was denkst du denn?« fragte ich zurück. Das schien Seymour zufriedenzustellen, und er erzählte Parker noch ein paar weitere Begebenheiten aus dem ereignisreichen Leben des Bumper Morgan. Ruthie beobachtete mich immer noch. Frauen sind wie Polizisten. Für gewisse Dinge haben sie einen Riecher. Als Seymour seinen Bericht beendet hatte, verabschiedete ich mich mit dem Versprechen, Freitag auf einen Deluxe Businessman's-Teller vorbeizukommen. Für Ruthie ließ ich ein paar Münzen Trinkgeld zurück, die sie jedoch nicht in die Schüssel mit dem Trinkgeld legte, die unter der Thekenplatte stand. Statt dessen sah sie mich an und ließ das Geld in ihren Büstenhalter gleiten.
    Ich hatte die Hitze ganz vergessen. Und als sie mir beim Verlassen von Seymour's plötzlich wieder ganz unvermittelt entgegenprallte, beschloß ich, schnurstracks zum Elysian Park zu fahren, mich auf den Rasen zu
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