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Der müde Bulle

Der müde Bulle

Titel: Der müde Bulle
Autoren: Joseph Wambaugh
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vornübergebeugt und die Beine krampfhaft überkreuzt.
    Seymour brach in schallendes Gelächter aus. Das machte Ruthie auf uns aufmerksam, und sie kam zu uns herüber.
    »Bitte, Bumper, zeig es ihr auch!« Seymour schnappte nach Luft und wischte sich die Tränen aus den Augen.
    Ruthie wartete, mit diesem vielversprechenden Lächeln auf ihren Lippen. Sie ist gut fünfundvierzig, aber noch durchaus knackig und goldblond – kurzum, verdammt sexy. Und die Art, wie sie sich benimmt, gibt mir immer zu verstehen, daß das alles für mich bestimmt ist, obwohl ich nie Gebrauch davon gemacht habe. Sie gehört zu den Leuten, die fester Bestandteil meines Reviers sind, und der Grund meiner Zurückhaltung liegt darin, daß sie alle an mir hängen und daß ich niemanden bevorzugen will. Ich weiß von einigen Kollegen, daß sie Frauen en masse hatten. Aber um ihr Revier haben die sich einen Dreck geschert. Deshalb habe ich schon vor langer Zeit beschlossen, Ruthies üppige Formen nur aus der Ferne zu bewundern.
    Jetzt stand sie vor mir, die Hände in ihre geschwungenen Hüften gestützt. »Ich warte, Bumper.«
    »Noch was Komisches ist passiert, während ich den Verkehr geregelt habe«, bemühte ich mich, das Thema zu wechseln. »Ich stehe also mitten auf der Kreuzung, die Trillerpfeife im Mund, und dirigiere mit der einen Hand den Verkehr. Die andere Hand hatte ich mit der Handoberfläche nach oben ausgestreckt. Da kommt doch tatsächlich so eine verhutzelte alte Dame – sie war sicher schon achtzig – auf mich zu und legt mir einen dicken Briefumschlag in die Hand. ›Könnten Sie mir bitte sagen, wieviel das Porto dafür macht, Officer?‹ hat sie gefragt. Hier stehe ich also, während auf der Straße bis rauf zur Olive ganz schön was los ist, halte meine beiden Arme ausgestreckt. Und da liegt nun dieser Brief auf meiner Hand. Na ja, was soll's, ich stelle mich, die Arme immer noch ausgestreckt, kerzengerade hin und fange an, wie eine Waage hin und her zu schaukeln. Und dann sage ich: ›Das macht genau einundzwanzig Cents, Ma'am, wenn Sie's per Luftpost schicken wollen.‹ Und sie: ›Ach, vielen Dank, Officer.‹«
    Seymour brüllte neuerlich los, und auch Ruthie mußte lachen, doch sie beruhigten sich beide wieder, als mein Essen kam. Um die Mahlzeit besser genießen zu können, schnallte ich erst einmal meinen Gürtel auf. Aber als dann mein Bauch gegen die Kante der gelben Resopaltheke drückte, ärgerte mich das doch.
    Seymour hatte sich um eine ganze Reihe von Bestellungen zu kümmern, so daß ich für zehn Minuten meine Ruhe hatte. Nur Ruthie mußte sich unbedingt vergewissern, daß ich genügend zu essen hatte und daß meine Eier locker genug waren. Außerdem rieb sie sich dabei mit einer Hüfte oder sonst etwas an mir, so daß ich mich gehörig anstrengen mußte, an meinen dritten Toast zu denken.
    Der Mann, der neben mir an der Theke saß, hatte seine zweite Tasse Kaffee leer getrunken, worauf Seymour zu ihm rannte.
    »Noch eine Tasse Kaffee, Mr. Parker?«
    »Nein, danke, das reicht.«
    Ich hatte den Mann nie zuvor gesehen, aber seine Kleidung gefiel mir außerordentlich. Er war dicker als ich, und sein Gewebe wirkte ziemlich schlaff, aber sein Anzug, der sicher nicht von der Stange war, kaschierte das sehr gut.
    »Kennen Sie eigentlich Officer Bumper Morgan schon, Mr. Parker?« fragte ihn Seymour.
    Beide zu vollgestopft und faul, um aufzustehen und uns über zwei Hocker hinweg die Hände zu schütteln, lächelten wir uns nur freundlich an.
    »Ich habe schon von Ihnen gehört«, sagte Parker. »Ich habe seit kurzem ein Geschäft im Roxman Building. Uhren. Wenn Sie mal eine brauchen sollten – bei mir bekommen Sie auf jeden Fall einen Sonderpreis.« Er legte eine Visitenkarte auf die Theke und schob sie ein Stück zu mir herüber. Seymour transportierte sie dann bis zu mir weiter.
    »Es gibt hier niemanden, der noch nicht von Bumper gehört hätte«, verkündete Seymour stolz.
    »Eigentlich hätte ich Sie mir größer vorgestellt, Officer«, meinte Parker. »Nach dem, was ich von Ihnen gehört habe, müßten Sie etwa eins fünfundneunzig groß sein und an die zweieinhalb Zentner wiegen.«
    »Mit dem Gewicht haben Sie sich da ja gar nicht so arg getäuscht«, spöttelte Seymour.
    Ich bin es gewohnt, daß mir die Leute sagen, ich sei nicht so groß, wie sie erwartet hätten oder wie ich ihnen im ersten Augenblick erschienen wäre. Ein Streifenpolizist muß groß und kräftig gebaut sein, sonst hat er ständig
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