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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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Skifahren zurück. Tantchen erhob sich von ihrem Platz. Bevor die Kinder fröhlich ins Zimmer laufen und beim Anblick ihrer Tränen traurig werden konnten, bevor Manuchehr, dessen spärliches weißes Haar seinem liebevollen Gesicht noch mehr Würde verliehen, eintreten und beim Anblick des Kummers seiner Schwester, die ihm wie eine Mutter war, betrübt werden konnte, wollte sie auf ihren Stock gestützt das Zimmer verlassen.
    Sudabeh sagte, »Aber mein Fall liegt anders, liebes Tantchen. Weder bin ich fünfzehn, noch ist er…«
    Sie verschluckte den Rest ihrer Worte. Während sie noch dastand, lächelte die Tante sie freundlich an und ergänzte ihren Satz, »Ja, weder bist du ein fünfzehnjähriges Mädchen, noch ist er ein Schreinerlehrling. Aber in gewisser Weise unterscheiden sich auch eure Welten voneinander. Wenn das so ist, wenn zwei Menschen nicht zueinander passen, gleich, in welcher Art und Weise, kann das ihr Leben zerstören. Es gibt doch nicht nur eine Sorte Unglück, Sudabeh! Davon gibt es viele Arten und Sorten.«
    Tantchen machte sich auf den Weg. Sudabeh war völlig in Gedanken versunken. Sie versuchte, sich zu entscheiden, doch das war mittlerweile keine einfache Angelegenheit mehr. Sie begehrte den nächtlichen Wein und fürchtete sich vor dem Morgen der Trunkenheit. Vielleicht würde die Natur wieder siegen. Würde sich die Geschichte etwa wiederholen?
    Tantchen humpelte davon, und Sudabeh betrachtete erstaunt und bewundernd ihren verschrumpelten Körper. Sie konnte sie sich nur schwer als junge, grazile Frau in prächtigen Gewändern mit fülligem und gelöstem Haar vorstellen, träumerisch und mit einem Herz voller Leidenschaft. Dennoch war sie jetzt stolz darauf, daß sie ihr ähnelte. Sie spürte, wie sehr sie diese alte Frau, der der Kummer der Zeiten das Herz gebrochen hatte, liebte und verehrte. Es war ein Schatz an Erfahrungen, der davonhumpelte. Sudabeh wußte nicht, daß ihr Tantchen den nächsten Winter nicht mehr erleben sollte.

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Glossar

Abgusht : traditioneller Eintopf aus Lammfleisch und Bohnen.
    Agha : türkisch »Herr«, respektvolle Anrede.
    Ali Asghar : neugeborener Sohn des Imam Hossein, der 680 bei der Schlacht von Kerbela mit seinem Vater und dessen Gefährten von den Truppen des damaszenischen Kalifen Yazid niedergemetzelt wurde, Märtyrer der Schiiten.
    Almass : Diamant, euphemistischer Name für einen schwarzen Diener.
    Andaruni : »das Innere«, innerer, für Frauen bestimmter Flügel des Hauses.
    Ashrafi : alte persische Goldmünze, Gewicht 3,75 Gramm.
    Ash reshte : dicke Suppe aus Nudeln, Bohnen und Kräutern.
    Band-andaz : Berufsbezeichnung für eine Art traditionelle Kosmetikerin, die vor allem Gesichtshaare mit Fäden auszupft.
    Behlimu : eine Art Eisenkraut, der gesüßte Sud aus den Blüten dient der Saftherstellung.
    Bereshtuk : geröstetes Brot.
    Biruni : »das Äußere«, Teil des iranischen Hauses, den zu betreten nur den Männern gestattet ist.
    Chanum : türkisch »Dame«, respektvolle Anrede.
    Dadde (Chanum) : schwarze Amme oder Aufwärterin.
    Damkoni : Topfabdeckung aus Stoff zum Dämpfen von Reis.
    Dampokht : Reisgericht mit Linsen.
    Dar ol-Fonun : erste polytechnische Schule Irans, gegründet 1852.
    Delgosha : berühmter Vergnügungspark im Süden Teherans.
    Dong : ein Sechstel, der sechste Teil von Immobilien.
    Djan : Kurzform des Koseworts
    Djanam , wörtlich »mein Leben«, mein Liebstes.
    Eid-e Mab’ass : Fest aus Anlaß des ersten Auftretens des Propheten Mohammad als Prophet.
    Eiwan : Veranda.
    Enayat-ollah : Gunst, Gnade Gottes, Eigenname (ursprünglich für Almass vorgesehen).
    Ezrael : Todesengel.
    Fatemeh : Tochter des Propheten Mohammad. Ihre Grabmoschee mit vergoldeter Kuppel ist das Hauptheiligtum der Stadt Qom, ca. 60 km südlich von Teheran.
    Ghormeh Ssabzi : Eintopf aus Lammfleisch mit einer speziellen Kräutermischung.
    Halim Bademdjan : Vorspeise aus zerstoßenen Auberginen mit Molke.
    Haft-Ssin : »Sieben S«. Traditionelles persisches Neujahrsgedeck mit sieben Früchten oder Gegenständen, die mit dem Buchstaben S beginnen und Glück, Wohlstand und Fruchtbarkeit symbolisieren, u. a. Apfel, Knoblauch, Kräuter, Mehlbeeren, Narzissen, Weizenkeimlinge und Münzen.
    Hammam : Bad. Bis vor rund 70 Jahren besaßen die meisten iranischen Wohnhäuser kein eigenes Bad. Zur Körperreinigung standen (und stehen auch heute) öffentliche Hammams mit professionellen Badewärter/innen bereit.Zu deren Aufgaben zählt u. a.
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