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Der Morgen der Trunkenheit

Der Morgen der Trunkenheit

Titel: Der Morgen der Trunkenheit
Autoren: Fattaneh Haj Seyed Javadi
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sie eine besondere Zuneigung, ohne jedoch ihre Mutter zu kränken.
    Nimtadj war verstummt und dachte nach. Ich fragte, »Sind Sie damit einverstanden, Chanum?«
    »Wenn sie es selbst will. Nur, wenn sie es will.« Dann ergriff sie meine Hand und sagte beschwörend, »Nicht mit Zwang, Mahbube Djan, bitte nicht. Berate sie, aber zwing sie zu nichts. Darum bitte ich dich, da ich weiß, daß dein Wille Mansurs Wille ist. Er richtet sich nach dir. Ich fürchte, daß er sie, Gott behüte, deinetwegen zwingen könnte, Manuchehrs Frau zu werden. Denn Mansur liebt dich sehr. Er will dir keinen Kummer bereiten.«
    Ich lachte und sagte, »Erstens gehört Nahid nicht zu den Mädchen, die sich zu etwas zwingen lassen. Diese Zeiten sind vorbei. Zweitens liebt Mansur weder Sie noch mich. Soweit ich weiß, liebt Mansur nur eine Frau auf der ganzen Welt. Nur eine Frau betet eran, und das ist Nahid. Seien Sie unbesorgt.« Sie lächelte und beruhigte sich. Wieder war ich zum Vormund bestellt.
    Es gab nur noch Mansur und mich. Die Kinder und das große Haus. Noch immer sehnte ich mich nach einem Kind. Aber jetzt hatte ich Mansur für mich allein. Ich brauchte ihn mit keiner mehr zu teilen. Nach dem Tod ihrer Mutter ließen die Kinder nicht mehr von mir ab. Als fürchteten sie sich, mich auch noch zu verlieren. Nahid rannte mir, wenn sie aus der Schule kam, von einer Einladung zurückkehrte oder wenn die Brautwerber kamen, nach und stöberte mich auf. Sie erzählte mir alles. Sie lief mir von einem Zimmer ins andere hinterher, gleich, wohin ich ging. Wurde sie müde, rief sie, »Ach, es reicht. Setzen Sie sich endlich. Ich will ein paar ernste Worte mit Ihnen reden. Vor lauter Nachlauferei bin ich ganz erledigt.«
    Ich sagte, »Hast du also bis jetzt nur gescherzt?«, ließ alles liegen und stehen und setzte mich. Ich kritisierte ihre Bewerber nie zu Unrecht. Ich erklärte ihr meine Meinung, sowohl über ihre Vorteile als auch über ihre Nachteile. Dann sagte ich, »Nun geh und setz dich mit deinem Vater zusammen und entscheide dich.«
    Sie wußte nicht, was für ein Aufruhr in meinem Herzen tobte und wie erleichtert ich war, wenn sie die Bewerber zurückwies.
    Manuchehr kehrte von seinem Studium zurück, und wir alle gingen ihn besuchen. Abends war die ganze Familie ins Haus meiner Mutter eingeladen. Nahid war fast zwanzig Jahre alt. Sie trug ein cremefarbenes Kostüm. Sie hatte sich dezent geschminkt und trug das Haar gelöst. Sah ich sie an, dankte ich den Pocken, daß sie das Gesicht ihrer Mutter entstellt hatten. Ich wußte nur zu gut, hätte Nimtadj nicht die Pocken bekommen, hätte ich keine Chance gehabt. Ich betrachtete Nahids Gesicht und war entzückt. Manuchehrs Frau müßte so aussehen. Manuchehr zog mich beiseite, »Wer ist das, Schwesterchen?«
    »Das ist doch Nahid.«
    »Was? Das verwöhnte, bleichgesichtige Mädchen von damals?«
    »Red keinen Unsinn. Sie war verwöhnt, aber niemals bleichgesichtig. Ihre Bewerber rennen ihr die Tür ein.«
    »Dann halt doch für mich um ihre Hand an, ehe die Schwärmer sie entführt haben.«Am Tag des Mahr Boran fungierte ich als Mutter der Braut. Das Brautgeld mußte so und soviel betragen. Die Hochzeit mußte so und so ausgerichtet werden. Manuchehrs Anteil am Garten in Shemiran mußte als Brautgeld auf dem Ehevertrag eingetragen werden.
    Nozhat sagte halb scherzend, »Ach! Hältst du zur Braut oder zum Bräutigam, Schwesterchen?«, und sie lachte gekünstelt. Nahid flüsterte mir ins Ohr, »Ich glaube nicht daran, daß Brautgeld Glück bringt.«
    Ich glaubte es auch nicht, war jedoch für sie verantwortlich. Ich wandte mich zu Nozhat und sagte, »Ich halte zu beiden, Schwesterchen. Wäre Nahid meine eigene Tochter, würde ich sie einem jungen Mann wie Manuchehr beidhändig und gratis überreichen. Ein Mädchen wie Nahid ist zu respektabel, als daß man sich um ihr Brautgeld streiten dürfte. Aber ich habe jetzt eine moralische Verpflichtung. Ich bin für sie verantwortlich. Bei allem, was ich tue, denke ich mir, ihre Mutter hätte es vielleicht besser gemacht. Vielleicht ist ihre Mutter noch nicht einverstanden. Vielleicht habe ich nicht mein Möglichstes getan. Und wenn ihr nicht wollt, daß Manuchehr sein Grundstück überschreibt, dann werde ich meins in Gholhak auf ihren Namen überschreiben lassen.«
    Alle verstummten. Mansur lächelte mich an. Nahid saß neben mir, und Gott allein weiß, wie sehr ich mir gewünscht hätte, Nahid wäre unsere gemeinsame Tochter gewesen. Gott
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