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Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Titel: Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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keinen Grund, warum Mr. Carter das hätte tun sollen."
    „Vielen Dank, Mr. Harlowe. Das ist alles."
    Der Kommissar nahm den Zettel an sich und verließ die Anwaltspraxis. Als er in dem Unglückshaus auf Richmond- Hill eintraf, war Flavius gerade dabei, das Dienstmädchen zu verhören. Sie war ein noch junges, leidlich hübsches Ding, das zur Zeit der Tragödie Einkäufe besorgt hatte und kein Licht in die Affäre zu bringen vermochte.
    Flavius wandte sich an den Kommissar. „May hat vor zwei Minuten angerufen", erklärte er. „Der Arzt von Vickers ist ein gewisser Dr. Stanley. Wohnt und praktiziert in der Oxford Street. Sehr berühmter Mann. Ich kenne ihn dem Namen nach. Von dem werden Sie nicht viel erfahren."
    „Abwarten", meinte der Kommissar. „Ich kenne ihn auch. Wir sind alte Klassenkameraden."
    Eine halbe Stunde später begrüßten sich die beiden Männer in Dr. Stanleys Sprechzimmer. Sie schüttelten sich lachend die Hände und schlugen sich gegenseitig auf die Schultern.
    „Na, du alter Spürhund!" rief Dr. Stanley, der eine etwas lärmende Art hatte und einem Oberst der Kolonialtruppe ähnlicher sah als einem Arzt. „Nun erzähl mir bloß nicht, daß dich die Sehnsucht zu mir getrieben hat! Ich kenne dich. Du hast mal wieder beruflich was auf dem Herzen. Setz dich, alter Knabe. Ich nehme an, du trinkst einen Whisky mit mir?"
    „Um diese Tageszeit schätze ich keinen Alkohol", sagte Morry, „aber ich will dir keinen Korb geben."
    „Das will ich hoffen, mein Freund. Den hätte ich auch gar nicht akzeptiert", erwiderte der Arzt und ging davon, um kurz darauf mit einer Flasche Johnny Walker, Black Label, und zwei Gläsern, an den Tisch zurückzukehren.
    „Meine beste Medizin", sagte er, als er lachend die Gläser füllte.
    Nachdem sie angestoßen und ein paar Jugenderinnerungen ausgetauscht hatten, ging der Kommissar geradewegs auf sein Ziel zu. „Wie ich höre, steht Archy Vickers bei dir in Behandlung?"
    Der Arzt wurde ernst. Er stützte sich vornübergebeugt mit den Ellenbogen auf die Knie und legte die flachen Hände aneinander. „Ich ahnte, daß dein Besuch einem meiner Klienten gilt. Du weißt hoffentlich, daß ich mich in jedem Fall an meine ärztliche Schweigepflicht gebunden halte? Wenn überhaupt, dann kann ich dir nur höchst allgemein gehaltene Auskünfte geben. Daran vermag selbst unsere alte Freundschaft nichts zu ändern. Ich schicke das alles voraus, damit du mir nicht mit Fragen kommst, die ich unmöglich beantworten kann."
    „Es geht mir nicht um Details, ich interessiere mich auch nicht für lange Krankheitsgeschichten. Vickers war heute bei mir. Ein plötzlicher Anfall, der ihn überwältigte und ganz gelb werden ließ, bestärkte mich in der Ansicht, daß er sehr krank sein könnte. Habe ich recht damit?"
    „Tja, mein Lieber. Wie soll ich dir das erklären? Unser guter Archy hat sich in seiner Jugend etwas übernommen. Er hat leider nicht mehr lange zu leben. Noch ein paar Jahre. Ich gebe ihm drei oder auch vier. Dann ist es aus."
    „Weiß er das?"
    Dr. Stanley nickte. „Ja, das ist ihm bekannt."
    „Seit wann?"
    „Seit ein paar Monaten."
    „Danke, das genügt."
    „Ich muß mir ausbedingen, daß du die Auskünfte, die ich dir gegeben habe, streng vertraulich behandelst."
    Morry erhob sich. „Ich fürchte", bemerkte er, „du wirst einen guten Klienten noch vor seinem medizinisch vorausgesagten Ende verlieren. Der Henker interessiert sich nämlich für ihn."
     
    *
     
    Archy Vickers erschrak, als er Schritte hinter sich hörte. Er wandte sich mit einem Ruck um. Die Spannung in seinem Gesicht machte sofort einem zerstreuten Lächeln Platz, als er seine Schwester sah.
    Beatrice, die ein weißes Stadtkostüm trug, stellte sich neben ihn und blickte forschend in seine Augen.
    „Seit wann bist du zurück?"
    „Seit einer Stunde", erwiderte er und stützte die Hände auf die steinerne Brüstung der Terrasse. Sein starrer Blick ging ins Leere. „Carter ist tot", sagte er.
    „Lieber Himmel!" flüsterte Beatrice.
    Vickers setzte sich auf die Brüstung. Er verschränkte die Arme vor der Brust und schaute die Schwester an. „Tut es dir leid um ihn? Er war ein schlechter Mensch, ein Erpresser, ein Schuft. Er ist viel zu spät, gestorben. Er war übrigens hinter dir her. Ich sollte dich beeinflussen. Es war sein Wunsch, dich zu heiraten. Jetzt kannst du es ja erfahren."
    „Ich habe es schon immer gewußt.“
    „Du...?"
    „Aber ja, eine Frau spürt das doch. Die Art, wie er
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