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Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Titel: Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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bleischweren Schlaf der Halbtrunkenen fallen und nie wieder daraus erwachen.
    Es war kein angenehmer Gedanke; es widerstrebte ihm, Leben zu vernichten.
    Aber Julias Schicksal war besiegelt. Das war sein Plan. Fast haßte er sie in diesem Moment. Zwang sie ihn nicht dazu, zum Mörder zu werden? Der heftige Wind stülpte seinen Schirm um. Er hielt ihn gegen den Sturm, so daß er wieder in die alte Form zurücksprang. Der Mann lächelte unlustig. Ein großartiges Wetter. Genau das richtige, um jedes Geräusch, das er verursachen mochte, als absolut unverdächtig erscheinen zu lassen. Jetzt kam ein Wagen. Er fuhr in ziemlicher Geschwindigkeit den Berg hinan, und der einsame Spaziergänger fühlte, wie die Dreckspritzer gegen seinen Mantel schlugen. Das war Burgos, dachte er. Der weiße Lincoln von Chris Burgos. Typisch. Bei Parties verspätet er sich immer. Wahrscheinlich ganz bewußt. Er will nicht mit den anderen kommen, nicht mit dem gewöhnlichen Volk, er will seinen großen Auftritt haben, seinen persönlichen Triumph. Wenn seine Schauspielkunst so groß wäre wie seine persönliche Eitelkeit, würde man ihn als Genie feiern. Immerhin würde Burgos der einzige sein, der von dem Mord profitierte. Manchem Schauspieler ist jede Art von Publicitiy recht. Am schwersten mußte es Conway treffen. Er hoffte, Julia heiraten zu können. Dabei hatte er bei ihr nicht die geringste Chance. Als junger und aufstrebender Architekt verdiente Robert Conway nicht schlecht, aber bei weitem nicht genug, um Julias hochgeschraubte Ansprüche befriedigen zu können. Auch Jonathan Carter, Julias reichen Onkel, würde es wie ein Schock treffen. Durch ihre Vermittlung war es ihm immer wieder gelungen, jene jungen vergnügungssüchtigen Damen kennenzulernen, denen seine besondere Zuneigung galt. Er war bereits siebenundsechzig Jahre alt, und ohne Julia hätte er kaum eine Chance gehabt, sein Haus mit so viel Jugend und Scharm zu füllen. Er zeigte sich dafür erkenntlich, indem er Julia ein festes Taschengeld aussetzte. Gelegentlich, wenn ihm ein ungewöhnlich gutes Geschäft gelungen war, besserte er dieses Taschengeld mit einem zusätzlichen Scheck auf. Jonathan Carter liebte es, sich als Mäzen der jungen Damen aufzuspielen, aber jeder, der sein breites, etwas grobschlächtiges Gesicht mit den harten, stechenden Augen und den vollen, wulstigen Lippen sah, begriff sofort, daß es ihm nicht um die Kunst ging, sondern um die Wertschätzung ihrer weiblichen Jünger... vorausgesetzt, daß sie einer bestimmten Altersklasse angehörten.  
    Julia war Regie-Assistentin am Bentfort- Theater. Es hieß ganz allgemein, daß sie diesen Posten nicht ihrer künstlerischen Begabung verdankte, sondern ihrem ausgeprägten Organisationstalent, und nicht zuletzt der seltenen Fähigkeit, Menschen von widersprechender Natur und Meinung unter einen Hut zu bekommen. Wie dem auch sei, sie verdiente nicht allzuviel, und ohne die regelmäßigen Zuwendungen des Onkels wäre sie gewiß nicht in der Lage gewesen, jenen Lebensstil zu pflegen, den sie für notwendig hielt. Der Mann unter dem Schirm verzog die Lippen. O ja, sie besaß Scharm. Sie war entzückend. Aber sie war leer. Ein kostbares Gefäß ohne Inhalt. Was sie auch sagte oder tat, zielte entweder darauf ab, ihren persönlichen Einfluß zu vergrößern oder ihre finanzielle Position zu verbessern. Küsse, Liebesschwüre und Flirts oder gelegentliche Fachsimpeleien über das Theater waren sie nichts anderes als notwendige Umwege zu diesen Zielen. Trotz ihrer grazilen Zerbrechlichkeit war sie der Prototyp des stahlharten Karriere- Girls, des Mädchens, das jede Handlung als einen Aufbaustein für den eigenen gesellschaftlichen und beruflichen Erfolg wertet. Nun, ihre Karriere war zu Ende, noch ehe sie richtig begonnen hatte. Julia war einen Schritt zu weit gegangen, nur einen einzigen Schritt, aber der hatte genügt, um den schlimmen Plan reifen zu lassen. Jetzt war es soweit.
    Der Mann mit dem Schirm hatte das hohe gußeiserne Portal erreicht. Er griff durch die Stäbe an die Klinke und drückte sie von innen herab. Das Tor öffnete sich. Es knarrte laut, aber bis zum Haus waren es gut sechzig Meter Entfernung, und das rostige Geräusch mußte im Trommeln des Regens und im Peitschen des Sturmes untergehen. Als er auf das Haus zuging, nahm er sich nicht die Mühe, über den Rasen zu laufen oder sonst irgendwie Deckung zu suchen. Er marschierte in der Mitte der asphaltierten Zufahrtsstraße, weder langsam noch
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