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Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Titel: Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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Schwerter und Ausrüstungsstücke zu Boden zu werfen, die zu beiden Seiten des Korridors aufgehängt worden waren. Jonathan Carter verstand herzlich wenig von alten Waffen, aber er hielt es für stilvoll, sein Haus mit ihnen zu dekorieren. Der schleichende Mann zählte gewissenhaft die Türen, an denen er vorbei kam, und er öffnete endlich die, von der er hoffte, daß sie zum Eckzimmer führte. Nachdem er eingetreten war, blieb er einen Moment an der Schwelle stehen und zog die Tür leise hinter sich zu. Den Berg herauf kam ein Auto gefahren. Die Scheinwerfer des Wagens strichen über das Haus und durchbrachen für zwei Sekunden die Rippen der Holzläden. Dabei erkannte er an der Fensterzahl und ihrer Lage, daß er den richtigen Raum erwischt hatte. Die geschlossenen Läden klapperten leise und wie beunruhigt. Irgendwo in unmittelbarer Nähe stöhnte und ächzte etwas wie ein gequältes Tier. Wahrscheinlich die Wetterfahne auf dem Dach, überlegte er.
    Das Geräusch zerrte an seinen Nerven. Sei kein Narr, beschwor er sich ärgerlich, du mußt jetzt die Nerven behalten. Du darfst dich nicht von einem Stück rostigen Blechs einschüchtern lassen. Er näherte sich mit äußerster Vorsicht der Mitte des Zimmers. Dort stand das Bett. Es war stockdunkel. Sein Knie berührte plötzlich eine harte Kante. Das war das Bett. Er beugte den Kopf tief nach unten und spürte, wie ihm ein leichter Whiskygeruch entgegen schlug. Er war am Ziel.
    Julia lag in diesem Bett. Er hörte, wie sie sich stöhnend zur Seite wälzte. Wahrscheinlich konnte sie nicht richtig schlafen. Entweder war ihr von dem Alkoholgenuß übel, oder das Ächzen der Wetterfahne verfolgte sie bis in den Schlaf hinein. Der Mann zog die Handschuhe straff. Er befühlte noch einmal die Gelenke seiner schlanken, kräftigen Finger; er war bereit, sein düsteres Vorhaben auszuführen. Er dachte: Es ist soweit, Julia.
    Einen Moment verspürte er das brennende Verlangen, das Licht anzuknipsen und dem Mädchen zu sagen, warum sie sterben mußte. Aber er hatte nicht den Mut dazu. Er wußte, daß er versagen würde, wenn sich ihre ausdrucksvollen Augen auf ihn richteten. Nein, er mußte im schützenden Dunkel der Nacht handeln. Er merkte, daß kalter Schweiß auf seine Stirn trat. Zu allem Überfluß hatte er plötzlich einen Krampf im Zeh. So etwas widerfuhr ihm nur höchst selten. Er spürte, wie der Zeh sich spreizte, und er kämpfte gegen die kribbelnde Spannung an, die sich in seinem Fuß breitmachte. Er biß die Zähne aufeinander, daß ihm der Unterkiefer schmerzte.
    Dann fühlte er, wie der Krampf nachließ. Er richtete sich erleichtert auf. Ich zähle jetzt bis drei, nahm er sich vor. Bei drei fasse ich zu...
    Eins, zwei...
    Er streckte die Hände aus ...
    In diesem Augenblick passierte es. Er zuckte zusammen wie unter einem Peitschenschlag, als er fühlte, daß seine Fingerspitzen, ganz leicht nur und wie unbeabsichtigt, auf eine fremde Hand stießen. Er zog seine Hand zurück, als habe er sie sich an einer glühenden Herdplatte verbrannt. Er versuchte den Atem anzuhalten, aber der Schrecken, der ihm in die Glieder gefahren war, preßte ihm das Herz zusammen und machte ein rasches, lebhaftes Atmen notwendig. Er hielt die Augen weit aufgerissen, aber er vermochte nicht das mindeste zu sehen. Julia stöhnte plötzlich laut auf. Das Stöhnen ging allmählich über in ein ersticktes Gurgeln.
    In den Schläfen des Mannes rauschte das Blut. Er kämpfte den Impuls nieder, Julia zu helfen. Phantastisch!
    Vor ihm war also ein anderer hier eingedrungen, ein Mann, der jetzt die unheilvolle Tat beging. —
    Julias Röcheln verebbte. Der Lauscher hatte ein Gefühl, als habe er einer Hinrichtung beigewohnt. Ihm war übel. Stille. Nur das Ächzen der Wetterfahne, das Prasseln des Regens und das Heulen des Sturmes waren zu hören. Dennoch hatte der Mann das Gefühl, von einem furchtbaren, lastenden und anklagenden Schweigen umgeben zu sein. In diesem Inferno der Geräusche fehlte das einzige, das wirklich Leben besessen hatte: Julias Stimme, ihr unruhiger Atmen...
    Sie war tot, er fühlte es. Er fühlte auch, daß der Mörder ihm gegenüber stand, an der anderen Längsseite des Bettes. Nur anderthalb Meter trennten sie voneinander. Wenn sie sich vorbeugten, mußten sie die Wärme ihrer Atems spüren können. War der andere bewaffnet? Hatte er die kurze Berührung ihrer Fingerspitzen wahrgenommen, oder war ihm das in der begreiflichen Erregung des Augenblicks völlig
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