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Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry

Titel: Der Mörder von Richmond Hill Kommissar Morry
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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abgedeckten Sessel, holte ein verknittertes Päckchen aus der Tasche und setzte eine Zigarette in Brand. Dann lehnte er sich leise seufzend zurück. Er fand, daß es eine höchst eindrucksvolle Situation war. Hier saß er nun, Julias Widersacher und gönnte sich in betonter Ruhe vor der schweren Tat eine Zigarette. Fast bedauerte er, daß ihn niemand beobachten und sein Verhalten würdigen konnte. Dennoch war er ein wenig beunruhigt, obwohl er sich weigerte, das offen zuzugeben. Es war nicht schlimm, daß die Ausführung des Planes einige neue Dispositionen erforderlich machte, schlimmer war schon, daß er plötzlich überhaupt bezweifelte, Julia hier im Haus vorzufinden.
    Sie besaß eine Stadtwohnung, ein modernes Flat mit einem schicken Wohnzimmer, einer winzigen Kochnische und einem Duschraum nebst W C. Im allgemeinen schlief sie hier, bei dem Onkel. Das war billiger, weil sie das Abendessen sparte und das Frühstück obendrein. Außerdem wurde es abends meistens sehr spät, und wenn sie etwas getrunken hatte, war sie kaum noch fähig, mit eigener Kraft ein Taxi zu besteigen. Hinzu kam, daß die Taxigebühren für eine Fahrt ans andere Ende der Stadt bedeutend höher lagen als der Preis für eine Übernachtung im nächstbesten Hotel. Der Onkel hatte ihr also dieses Zimmer zur Verfügung gestellt, und sie machte mehr als reichlich davon Gebrauch. Ja, sie mußte im Haus sein. Eine Etage höher, im Eckzimmer. Er glaubte sich plötzlich erinnern zu können, daß er auf dem Weg nach hier Licht in dem Zimmer gesehen hatte. Warum war ihm das nicht gleich aufgefallen? Er wollte sich erheben, doch blieb er sitzen, seltsam apathisch und ausgepumpt. Er rauchte die Zigarette zu Ende, und er zündete sich eine zweite an. Ich habe Zeit, sagte er sich, viel Zeit. Plan hin, Plan her, es gibt nur eines, was zählt, und das ist das Ziel. Er war überzeugt, kurz davor zu stehen, und war nicht bereit, auch nur einen Zentimeter davon zurückzuweichen. Nachdem er auch die zweite Zigarette ausgedrückt hatte, entzündete er nochmals das Feuerzeug, um die beiden Kippen an sich nehmen zu können. Er hatte keine Lust, irgendwelche Spuren zurückzulassen. Die Asche? Die würde keinem Menschen auffallen. Im übrigen ließen sich aus ihr keine Schlüsse auf den Mann ziehen, der sie verstreut hatte. Er ging zur Tür, öffnete sie leise und trat auf den Korridor. Der Sturm hatte etwas nachgelassen. Aus dem Erdgeschoß hörte er das Lachen von Gladys Brooks.
    „Sie könnten doch keiner Fliege etwas zuleide tun!" sagte sie gerade zu einem der Männer.
    „Finden Sie?" meinte Burgos, ebenfalls heiter, aber doch mit dem deutlichen Versuch, seiner Stimme einen drohenden Unterton zu geben. „Da bin ich anderer Ansicht. Wir alle wären in der Lage, einen Menschen zu töten. Es ist die Bestie in uns, gezähmt und verschüttet von Jahrtausenden emsiger Zivilisationsarbeit, aber noch immer bereit, plötzlich zu erwachen. Ich streite nicht ab, daß ich diese Bestie zuweilen spüre. Wir alle fühlen sie, und wenn wir sagen: Ich könnte ihn umbringen! so spricht diese Bestie aus uns. Ich könnte durchaus zum Mörder werden. Wie steht es mit Ihnen, Conway?"
    Der Mann im Flur legte den Kopf zur Seite, um die Antwort besser hören zu können.
    „Tja", meinte Conway und dehnte das Wort. „Tja ... so leicht ist das nicht zu beantworten. Töten? Vielleicht im Affekt. Aber im vollen Bewußtsein der Tat und ihrer Folgen? Vorsätzlich? Nein, das halte ich für mich und meine Person für höchst unwahrscheinlich."
    Der lauschende Mann wandte sich ab und stieg die Treppen zum nächsten Stockwerk empor. Es war sehr dunkel, da hier oben kein Licht brannte, und er bewegte sich äußerst vorsichtig, um nicht zu stolpern. Auf diesem Flur kannte er sich weniger gut aus. Er war ein oder zweimal auf dieser Etage gewesen, und er dachte scharf nach, um sich alle Einzelheiten ins Gedächtnis rufen zu können. Während er mit leicht gesenktem Kopf die Lage der einzelnen Zimmer zu rekonstruieren versuchte, war ihm plötzlich, als würde er von einem kühlen Luftzug gestreift. Wahrscheinlich steht irgendwo ein Fenster offen, dachte er und bewegte die Schultern. Ihn fröstelte plötzlich. Der Sturm nahm wieder zu. Hier oben hörte er ganz deutlich, wie der Regen auf das Dach prasselte. Das Eckzimmer, überlegte er. Ich muß mein Glück zuerst im Eckzimmer versuchen.
    Langsam tastete er sich die Wand entlang. Er berührte sie nur mit den Fingerspitzen, um nicht eines der
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