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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin
Autoren: Thomas Görden
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irregeleiteten Apostel, hatte Gilbert eine Brücke des Friedens bauen wollen! Nun, der Zisterzienser würde für diesen feigen Mord die gerechte Strafe empfangen, wenn in Köln das Henkersbeil auf seinen Nacken niedersauste!
    Jetzt, als Konrad klarwurde, dass er selbst die Schlacht unbeschadet überstanden hatte, musste er plötzlich wieder an Hannah denken. Ihm fiel ein, dass er ihren Brief immer noch bei sich trug. Er holte das Pergament hervor und las die Nachricht ein weiteres Mal.
    Habe ich Hannah nun bewiesen, dass ich mutig bin?, fragte er sich. Ich bin in die Schlacht geritten, habe Feinde verstümmelt und getötet und es geschafft, selbst ungeschoren davonzukommen. Wenn er die Augen schloss, sah er immer noch die Bilder dessen, was sein Dolch angerichtet hatte – aufgerissenes Fleisch, hervorquellendes Blut. Diese Bilder würde er von nun an mit sich herumtragen. Das Blut würde für immer an ihm kleben.
    Ihm wurde übel, und seine Hände fingen an zu zittern. Um die Fassung wiederzugewinnen, betrachtete er Hannahs Brief, die zarten Linien ihrer Schrift. Da fiel ihm etwas auf, das er bis jetzt noch gar nicht bemerkt hatte, weil er so bestürzt über den Inhalt des Briefes gewesen war: Die Buchstaben wirkten fahrig und zittrig. Das fand er merkwürdig. Der Text des Briefes kündete von einer starken, festen Entschlossenheit. Wenn dem so war, warum hatte dann ihre Hand beim Schreiben gezittert? Aus Angst? Wovor hatte Hannah wohl Angst gehabt? Konrad brauchte nicht lange zu überlegen. Ihm fiel nur ein Mensch ein, der sie so aus der Fassung bringen konnte.
    Doch bevor Konrad länger darüber nachdenken konnte, was dieser Brief in Wahrheit zu bedeuten hatte, kam der Erzbischof die Treppe herauf. Er befand sich in Begleitung anderer Freunde und Weggefährten Anselms, unter ihnen Rainald von Falkenstein. Brigid erschien mit ernstem, bleichem Gesicht in der Tür und bat den Erzbischof allein ins Zimmer. Als die Tür sich hinter den beiden wieder schloss, ahnte Konrad, dass es mit Anselm zu Ende ging, dass seine Schwester mit ihrer Heilkunst den Vater nicht zu retten vermochte.
    Rainald schickte einen Diener, um Ludowig holen zu lassen. Er erschien bald darauf, um jenem Mann die letzte Ehre zu erweisen, mit dessen Schicksal sein eigenes auf so tragische Weise verwoben war.
    Endlich öffnete sich die Tür wieder. Brigid kam heraus, völlig erschöpft. Sie umarmte Konrad und sagte mit zitternder Stimme: »Ich habe gekämpft, aber ich konnte nichts mehr für ihn tun, nur noch seine Schmerzen lindern. Er möchte sich jetzt von dir verabschieden.«
    Konrad betrat das Zimmer. Anselms geschundener Körper war mit einem weißen Laken bedeckt. Sein Gesicht war leichenblass. Er atmete schnell und mühsam. Konrad nahm die Hand seines Vaters. Als Anselm ihn erkannte, erschien auf seinem Gesicht dieses Grinsen, dem immer eine spöttische oder sarkastische Bemerkung gefolgt war. »Na, Sohn … was glaubst du? Muss ich in die Hölle?«
    Konrad umfasste die schon erkaltende Hand Anselms mit beiden Händen. »Nein, Vater. Dein Platz wird bei den Engeln im Himmel sein.«
    Da entspannte sich Anselms Gesicht zu einem friedlichen Lächeln. Ein tiefes, befreites Seufzen entwich seiner Brust. »Dann … werde ich … deine Mutter wiedersehen«, sagte er – und tat seinen letzten Atemzug. Der erzbischöfliche Marschall starb sanft und erlöst.
    Konrad legte seinen Kopf auf die Brust seines Vaters und weinte bittere Tränen um Anselm und um alle, die als Folge von Verblendung und Hass einen sinnlosen Tod hatten sterben müssen – Gilbert von Nogent, Wolfram, Hannahs Vater, die Menschen auf der in Brand gesetzten Fähre, Konrads Mutter Brid, der kleine Hagen. Nun betraten auch die anderen Trauernden das Sterbezimmer, und alle weinten, lagen sich in den Armen und schämten sich ihrer Tränen nicht.
    Schließlich, als die Tränen versiegt waren, beugte sich der Erzbischof über Anselm und küsste ihn zum Abschied auf die Stirn. Dann nahm er Konrad sanft bei den Schultern und richtete ihn auf. »Dein Vater war ein großartiger Mensch, Konrad von Berg«, sagte er, »und der beste Freund, den man sich nur wünschen kann. Ich zweifle nicht, dass du seiner stets liebevoll gedenken und seinem Namen Ehre machen wirst. Du hast heute in gerechter Schlacht an der Seite deines Vaters, unseres Heerführers, gekämpft. Du hast eine Tapferkeit bewiesen, wie sie eines edlen Ritters würdig ist. Obwohl es dir noch an der ritterlichen Waffenausbildung
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