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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin
Autoren: Thomas Görden
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empfangen. Den Seitenflügel, in dem sich Josephs alberne Bibliothek, diese jämmerliche Geldverschwendung, befunden hatte, würde er komplett abreißen und stattdessen ein neues, viel größeres Kontor mit Lagerhalle bauen lassen. Und wozu Joseph einen eigenen Obstgarten gebraucht hatte, war Nathan immer ein Rätsel gewesen. Obst konnte man schließlich auf dem Markt kaufen. Dieser Garten kostete nur unnötig viel Platz. Alle diese Obstbäume würde er sofort fällen und an ihrer Stelle ein weiteres großes Warenlager errichten.
    Ein klein wenig tat es ihm leid, dass er Hannah so hart anfassen musste, aber es geschah schließlich zu ihrem eigenen Wohl! Später würde sie ihm dankbar sein, dass er ihr die höchste Tugend des Weibes beigebracht hatte: den Gehorsam gegenüber dem Mann; später – wenn er sie erst mit einem seiner steinreichen Geschäftsfreunde in Aachen oder Mainz verheiratet hatte. Eine überaus einträgliche Verbindung würde das werden, denn Hannahs betörende Schönheit war ein Gut, das sich in barer Münze auszahlen würde. Er würde mit Hannahs künftigem Ehemann eine machtvolle Handelsallianz schmieden und sich selbst, seinen Söhnen und Enkelsöhnen damit Reichtum bis ins hohe Alter sichern.
    Wenn ihr neuer Gemahl Hannah nach der Heirat mit Schmuck behängte wie eine Prinzessin, sie von Dienern umsorgen und von einem erstklassigen Koch mit köstlichen Speisen verwöhnen ließ, würden die Flausen schon verschwinden, die Joseph ihr leichtfertig in den Kopf gesetzt hatte. Wie die meisten Weiber würde sie anfangen, ihr behagliches Leben zu genießen, und bestimmt schnell fett und gemütlich werden, genau wie ihre Mutter. Zufrieden würde sie erkennen, dass der Platz eines Weibes daheim war, wo sie sich um die Kinder und die Führung des Haushaltes zu kümmern hatte, wie es seit jeher Sitte war.
    Wo kam man denn hin, wenn ein aufmüpfiges, vorlautes junges Weibsbild sich erdreistete, einfach die gottgegebene Ordnung auf den Kopf zu stellen? Eine Frau, die auf Reisen ging und Handel trieb? Nein, völlig undenkbar! Das Reisen und die Geschäfte waren Männersache! Das war immer schon so gewesen und würde auch immer so bleiben.
    Im Obergeschoss der hoffnungslos überfüllten Pferdestallungen hatte Nathan ein Zimmer, von dessen Fenster aus man einen schönen Blick auf den Burghof hatte, ganz für sich allein reklamiert. Wenn er hier auf der Burg schon auf sein Kontor verzichten musste, brauchte er wenigstens einen großzügigen Rückzugsort, um in Ruhe nachdenken und Pläne schmieden zu können. Der kleine Handwerker, der sich dort mit seiner kranken Frau und seinen vier Kindern einquartiert hatte, war von Nathan kurzerhand hinausgeworfen und hinunter in den Stall geschickt worden, wo er sich mit einer zugigen, schmutzigen Ecke begnügen musste. Wie viele ärmere Leute der jüdischen Gemeinde hatte auch dieser Mann Schulden bei Nathan und durfte es nicht wagen, gegen seinen mächtigen Patron aufzubegehren.
    Während Nathan dort in seinem Zimmer saß und nachdachte, bemerkte er plötzlich, wie draußen im Burghof eine große Unruhe entstand. Eine Schar von Leuten kam aus dem Palas und marschierte geradewegs auf die Pferdestallungen zu. Überrascht erkannte er, dass Erzbischof Arnold persönlich sie anführte, und neben ihm gingen der Burgvogt Rainald von Falkenstein und dieser junge, armselige Bursche, Konrad, der Hannah auf alberne Weise den Kopf verdreht hatte. Verwundert sah Nathan, dass Konrad, der doch bisher die schäbige Kutte eines Mönchsnovizen getragen hatte, nun gekleidet war wie ein Ritter und ein Schwert trug.
    Unten vor dem Stallgebäude blieben der Erzbischof und seine stattlichen, grimmig dreinschauenden Ritter stehen. »Befindet sich dort drinnen der Herr Nathan ben Yehiel, Vormund von Hannah, Tochter des ehrwürdigen Joseph ben Yehiel?«, rief Arnold mit lauter Stimme. »Er möge hervortreten, denn es gibt Wichtiges zu bereden!«
    Was wollte denn der Erzbischof von ihm, um alles in der Welt? Er war Nathans Fürst und Landesherr, und er hatte die Juden unter großem Einsatz und bitteren Verlusten beschützt und von ihren Peinigern befreit. Was blieb Nathan also übrig? Er sprang auf, eilte die Treppe hinunter und trat vor seinen Fürsten hin. »Hier bin ich, Herr«, sagte er und verneigte sich pflichtschuldig.
    »Ich habe dir eine frohe Botschaft zu verkünden, die dein Herz erfreuen wird, Nathan!«, sagte Arnold mit seiner hohen Stimme und ausgesprochen feierlicher Miene. »Dieser
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