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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin
Autoren: Thomas Görden
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Erzbischof, dazu bestimmt«, sagte Matthäus ruhig. »Darüber sollten wir uns nicht den Kopf zerbrechen. Geh jetzt! Gewiss hat der Prior dir eingeschärft, dich zu beeilen.« Matthäus schüttelte missbilligend den Kopf. »Er ist ein so ungeduldiger Mensch!«
    Das Herdfeuer loderte hell, der Küchenmeister hatte es offenbar frisch angefacht. Flammen zogen Konrads Blicke immer magisch an. Feuer faszinierte ihn, und zugleich fürchtete er es. Denn es war schon öfter vorgekommen, dass er in der tanzenden, züngelnden Hitze Bilder gesehen hatte; schreckliche Bilder, die ihn in der Nacht peinigten. Die Flammen, die dort in der großen Feuerstelle unter dem gemauerten Rauchabzug zuckten, schienen ein Eigenleben zu führen. Sie spendeten Wärme, aber Konrad kam es so vor, als ob man, wenn man sie länger betrachtete, geradewegs in die Hölle blickte.
    Konrad spürte erneut Matthäus' Hand auf der Schulter. »Plagen dich wieder deine Träume?«, fragte der dicke Mönch mitfühlend. Konrad riss sich von der unheimlichen Magie der Flammen los und sagte leise: »Ich dachte, ich hätte es überwunden. Ich habe so viel gebetet. Ich hatte gehofft, die Bilder würden mich nicht mehr heimsuchen. Aber seit der Abt krank ist, kommen die Träume fast jede Nacht, so wie früher.«
    »Du hast eben ein zartes Gemüt«, sagte Matthäus. »Die Sorge, was werden wird, verwirrt dich. Hab Geduld mit dir selbst. Mit der Zeit wird sich dein Glaube festigen. Dann wirst du stärker im Herrn ruhen und solche Krisen besser durchstehen. Und wenn Gott dir sonderbare Träume schickt, wird das seinen Sinn haben. Bestimmt wirst du dieses Geheimnis eines Tages aufklären. Aber denke daran: Sprich mit keinem der anderen Mönche über die Träume. Sie würden es nicht verstehen.« Das hatte Matthäus ihm in all den Jahren immer eingeschärft, seine Träume geheim zu halten.
    »Geh jetzt und beeile dich!«
    Draußen wehte Konrad die beißende Kälte ins Gesicht. Der Klosterhof lag unter einer bleiernen Stille, und nicht einmal ein Vogel ließ sich blicken. Fröstelnd trug er den Eimer mit den Brustwickeln zum Gemach des Abtes zurück. Es handelte sich um ein karges, schlicht eingerichtetes Zimmer, nicht viel größer als die anderen Klosterzellen. Eigentlich gab es ein separates Abthaus, doch Balduin hatte auf persönliche Annehmlichkeiten keinen Wert gelegt und es vorgezogen, wie ein einfacher Mönch zu leben. So wurde das Abthaus ausschließlich als Unterkunft für Gäste genutzt – für den Erzbischof oder anderen hohen Besuch, der sich aber fast nie hierher verirrte. Besuche der Erzbischöfe erfolgten dermaßen selten, dass Konrad weder den jetzigen Erzbischof Arnold I. noch seinen Amtsvorgänger Bruno je zu Gesicht bekommen hatte.
    Immerhin gab es in Balduins Gemach einen kleinen Kamin, der wenigstens für eine spärliche Wärme sorgte. Anselm von Berg, der Prior, beugte sich gerade über Balduin, als Konrad eintrat. Anselm war ein großer Mann und hatte die muskulöse, breitschultrige Statur eines Ritters. Tonsur und Mönchshabit wirkten bei ihm seltsam fehl am Platze. Jetzt erst bemerkte Konrad die Stille.
    Der Abt lag nun, nach den Qualen der letzten Tage, völlig ruhig da. Sein hohlwangiges Gesicht war gelblich verfärbt, als sei es aus Wachs gegossen. Konrads Kehle wurde eng. Er sah, wie Anselm mit der rechten Hand über Balduins Brust das Segenszeichen machte. Ruhig, ohne Vorwurf in der Stimme, wandte sich der Prior an den Novizen: »Während du in der Küche getrödelt hast, Konrad, ist unser Abt, Bruder Balduin, von uns gegangen. Was meinst du, werden die Engel ihn mit offenen Armen bei sich aufnehmen?«
    Konrad schluckte. Er merkte, wie seine Knie zu zittern begannen, aber viel mehr spürte er nicht. Er hatte geglaubt, dass er in Tränen ausbrechen würde, wenn Balduin von Wied starb. Doch stattdessen breitete sich nun eine kühle Leere in ihm aus. Er wollte in seine Zelle laufen, sich auf sein Strohbett werfen, das Gesicht zur Wand drehen und die Augen ganz fest schließen. »Ihr fragt so seltsame Dinge, Prior. Hier im … im Angesicht des Todes«, sagte er leise.
    Anselm lächelte. »Gewiss werden sie ihn bei sich aufnehmen. Er hat schließlich ein mäßiges Leben im Glauben geführt. Hier in diesem stillen Tal. Fernab von jeder Versuchung.«
    Die letzten Worte klangen verächtlich. Seit Anselm vor gut vier Monaten zu ihnen gekommen war, hatte er alle spüren lassen, dass er sich für etwas Besseres hielt, weil er weitgereist war und schon
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