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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin
Autoren: Thomas Görden
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hochwohlgeborene junge Mann, Sohn des ehrenhaft im Kampf gefallenen Ritters Anselm von Berg, hat von mir heute die Schwertleite empfangen.«
    »Nun, Herr, das freut mich …« Nathan verneigte sich erneut. Bei diesen hohen Herren verneigte man sich besser einmal zu viel als zu wenig.
    »Noch viel größer wird deine Freude sein«, fuhr Arnold fort, »wenn du erfährst, dass dieser tapfere junge Mann, der auf dem Schlachtfeld die Feinde deines Volkes gleich reihenweise erdolcht hat, um die Hand deiner Nichte Hannah anhält.«
    »Um … die Hand …« War der Erzbischof von allen guten Geistern verlassen? Wie konnte er Nathans Pläne durchkreuzen? Er sollte Hannah einem jungen Ritter zur Frau geben? Junge Ritter waren in aller Regel bitterarm, und im Allgemeinen spaltete ihnen jemand auf dem Schlachtfeld den Schädel, ehe sie es auch nur zu einem halbwegs akzeptablen Vermögen gebracht hatten! Und außerdem – glaubten diese Herren denn im Ernst, er würde es dulden, dass seine Nichte dem Glauben seiner Väter abschwor und eine Schickse wurde? »Mein Fürst und Gebieter«, sagte Nathan, zugleich unterwürfig und bestimmt, »es gibt da eine, wie ich fürchte, unüberbrückbare Schwierigkeit: Entweder der junge Herr oder die junge Dame müsste konvertieren, was ja weder von kirchlicher noch von jüdischer Seite gerne gesehen wird.«
    Arnold nickte. »Dieses Problem hat mir auch zuerst Kopfzerbrechen bereitet. Konrad hat den Eid als christlicher Ritter geleistet. Also kann er unmöglich Jude werden. Und die liebreizende Hannah ist die Tochter eines Mannes, der als einer der Weisesten unter allen Juden galt. Es wäre gewiss ehrlos, würde sie den Glauben ihres wunderbaren Vaters verraten. Also sagte ich mir: Arnold, wenn du bei einem Problem nicht weiterweißt, frage einen klugen, gelehrten Juden. Ich besprach die Angelegenheit unter vier Augen mit eurem Rabbiner …« Der Erzbischof schaute sich um. »Wo ist er denn?«
    Nathan traute seinen Augen nicht, als tatsächlich der Rabbiner aus der immer größer werdenden Menge neugieriger Zuschauer auftauchte. Wie konnte er es wagen, ein Gespräch unter vier Augen mit dem Bischof zu führen, ohne Nathan davon in Kenntnis zu setzen, den doch wohl wichtigsten Gemeindeältesten?
    »Ja, was soll ich sagen?«, begann der Rabbiner und strich sich nachdenklich durch seinen lockigen schwarzen Bart. »Es ist wirklich nicht gerade einfach, wenn Christen und Juden untereinander heiraten. Manch einer möchte wohl sagen, dies sei eine Versündigung am Glauben der Väter. Am liebsten hätte ich die Talmud-Gelehrten hinzugezogen, um die Sache mit ihnen zu debattieren. Aber einen solchen Disput zu organisieren, würde leicht etliche Wochen dauern, müssten doch die Gelehrten von weit her anreisen. Und möchte man denn so grausam sein, zwei sich Liebenden eine so lange Wartezeit zuzumuten? Also sagte ich mir: Du bist der Rabbiner, warum triffst nicht du selbst eine Entscheidung? Und die Lösung liegt doch klar auf der Hand: Sie lieben einander, also heiraten sie, und trotzdem bleibt er Christ, und sie bleibt Jüdin.«
    Fassungslos schrie Nathan: »Rabbiner! Bist du meschugge? Das ist … Gotteslästerung!«
    Der Rabbiner hob die Hände. »Ach, Nathan, ist nicht die ganze Welt meschugge? Schau, ich habe meine beiden Söhne verloren und bittere Tränen geweint um sie. Und dieser junge Christ hier, Konrad, hat seinen tapferen Vater verloren und genauso bitterlich um ihn geweint. Weinen wir nicht alle die gleichen Tränen, ob Christ oder Jud'? Was ist denn wirklich meschugge? Wenn Menschen sich wegen ihres Glaubens die Köpfe einschlagen, oder wenn zwei junge Leute einander von Herzen lieben? Ich sage: Wir haben zusammen gelitten und gekämpft, nun lasst uns, Juden und Christen, zusammen Hochzeit feiern!«
    Da erhoben sich Beifallrufe auf beiden Seiten. Nathan sah, dass er hier nichts mehr ausrichten konnte. Er überlegte fieberhaft, ob es nicht noch einen Weg gab, zumindest den Erzbischof umzustimmen.
    Arnold sagte: »Am Vorschlag des Rabbiners gefällt mir besonders, dass er sowohl herzenswarm wie auch politisch klug ist. Wir machen zwei junge Menschen glücklich, und wir setzen ein Zeichen für Freundschaft und Verständigung zwischen dem erzbischöflichen Ritterstand und der Kölner Judengemeinde. Diese Hochzeit soll ein Symbol sein für das friedliche Miteinander unserer Religionen!«
    Jetzt hatte Nathan eine Idee, wie er Arnold noch auf seine Seite ziehen konnte. Politisch zu argumentieren
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