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Der Mönch und die Jüdin

Der Mönch und die Jüdin

Titel: Der Mönch und die Jüdin
Autoren: Thomas Görden
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war heiß unter dem Helm. Er spürte, wie sein Haar feucht und klebrig wurde und Schweißtropfen ihm über Stirn und Nacken rannen.
    Der Erzbischof zog ein Tuch aus dem Umhang, den er über seinem Kettenhemd trug, wischte sich damit den Schweiß aus dem Gesicht und sagte: »Mir schwant nichts Gutes. Ich glaube, es war ein Fehler, Gilbert nachzugeben. Er ist ein bewundernswert frommer Mensch, aber ich hätte die beiden nicht waffenlos dort in die Gefahr ziehen lassen dürfen.«
    Endlich löste sich ein Reiter aus dem feindlichen Heer. Konrad sah, dass es einer von Radulfs weißgekleideten Mönchen war. Er galoppierte heran, stoppte dann dicht vor dem Marschall sein Pferd, das tänzelnd stehen blieb.
    »Hier ist die Antwort von Radulf, unserem Propheten!«, rief er.
    Jetzt bemerkte Konrad, dass am Sattelknauf des Mönchs ein großer Beutel hing. Der Mönch nahm den Beutel und rief dabei: »Seht, was wir mit den Freunden der jüdischen Satansbrut machen!«
    Er schüttete den Beutel aus, und etwas rollte hinab ins Gras, etwas, das Konrad im allerersten Augenblick für Bälle hielt. Dann packte ihn jähes Entsetzen, als er erkannte, dass es zwei menschliche Köpfe waren.
    Die Köpfe von Gilbert und Wolfram rollten durchs Gras und blieben reglos in der Sonne liegen, leichengrau und mit ins Leere starrenden Augen.
    Ein Raunen lief durch das erzbischöfliche Heer wie eine kalte, schneidende Windböe. Für einen Moment war Konrad vor Bestürzung und Grauen wie gelähmt. Er sah, dass sein Vater erbleichte. Dann richtete Anselm sich hoch im Sattel auf, riss sein Schwert aus der Scheide und rief: »Wenn das Radulfs Antwort ist, dann sage ich: Rache für Gilbert und Wolfram! Rache für die ermordeten Juden von Köln! Tod! Tod! Tod!«
    Arnolds Ritter, Knappen und Fußsoldaten nahmen den Schlachtruf ihres Heerführers auf und brüllten: »Tod! Tod! Tod!« In einem gewaltigen Trommelwirbel schlugen sie mit ihren Schwertern an die Schilde. »Tod! Tod! Tod!«
    Nun war es an dem weißen Mönch, zu erbleichen. »Zum Angriff!«, brüllte Anselm. Sein Pferd bäumte sich auf und sprang mit einem gewaltigen Satz vorwärts, auf den Mönch zu. Mit einem einzigen Hieb seines Schwerts spaltete Anselm dem Mann den Schädel bis hinunter auf die Schultern, so dass der Kopf des Mönchs mit einem grausigen Geräusch zerplatzte.
    Und dann stürmte die Reiterei voran – wie eine gewaltige Meereswelle, die auf den Strand zurollt. Konrad wurde von dieser Brandung mitgerissen. Vagabundus galoppierte mit den anderen Pferden, leichtfüßig und schnell. Rasch näherten sie sich den Feinden, die ihnen nun ihrerseits schreiend und brüllend entgegenstürmten.
    Eine heiße, rasende Wut hatte Konrad gepackt und ließ ihn jede Angst vergessen. »Tod!«, hörte er sich zusammen mit den anderen rufen. »Rache für Gilbert!« Wie der Sturmwind ritt er an der Seite seines Vaters in die Schlacht.
    ***
    Die erzbischöflichen Ritter fegten durch Radulfs Heer. Abgetrennte Köpfe und Arme flogen durch die Luft, gewaltige Lanzenstöße zerschmetterten Schädel, Schultern und Brustkörbe. Von seinem Wagen aus brüllte Radulf geifernde Parolen: »Erschlagt die satanischen Judenfreunde! Schickt sie hinab zu ihrem Herrn in die Hölle! Wenn ihr hier tapfer sterbt, werdet ihr noch heute bei eurem Vater im Himmel sein! Wenn ihr seine Feinde tötet, vergibt euch der Herr all eure Sünden!«
    Hinter den Rittern rannte in schnellem Lauf Arnolds Fußvolk, geschützt mit Kettenhemd, Helm und Schild. Auch sie waren gut ausgebildet, bis an die Zähne bewaffnet und kampferprobt. Schnell gewannen sie viele Zweikämpfe und bohrten Schwerter oder Speere in die Brust so manchen Judenhassers.
    Dennoch schien die Sache keineswegs entschieden. Zahlenmäßig war Radulfs Heer den Erzbischöflichen weit überlegen. Es war eine Bande von Habenichtsen und Verlierern, die nicht viel mehr besaßen als ihren Neid auf jene, die es vermeintlich besser hatten als sie und gegenüber denen sie sich benachteiligt wähnten. Sie glaubten an das Neue Jerusalem, das ihr Prophet und Apostel ihnen verheißen hatte, und waren bereit, sich unter Einsatz ihres Lebens einen Platz im Paradies zu erkämpfen. Die meisten von ihnen fristeten ein karges, mühseliges Dasein als Hafenarbeiter, Handwerksgehilfe oder Bauernknecht. Deswegen verfing Radulfs Versprechen bei ihnen besonders gut. Sie dachten, wenn sie glorreich auf seinem Kreuzzug ihr Leben ließen, würden sie sogleich hoch in den Himmel erhoben werden, um dort
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