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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Thomas Raab
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schon, dass Sie mit Vornamen irgendwas wie Gertmund, Ekkehard, Dietwald, Gottlieb …

Heinzjürgen, sag ich doch. Hat sich die Frau Mama also nicht entscheiden können, ob Heinz oder Jürgen. Ist beides gleich tragisch und im Prinzip egal, weil beim Klugscheißer geht es ja nicht um den Namen, sondern die Staatsangehörigkeit, verstehen Sie, die Staatsangeh…

Humorlos sind Sie also auch. Was glauben Sie, Schulze, wie mich das jetzt überrascht! Und jetzt lassen Sie mich endlich zur Sache kommen. Also: Wir haben eine männliche Leiche, Alter zwischen 40 und 45, etwa 180 Zentimeter groß, geschätzte 60 bis 70 Kilo, heller Anzug, schaut nach Zuhälter aus oder Geschäftsmann, vielleicht sogar ein bisserl Schlagerstar: Blond ist er und hat rotgoldene, stechende Knopfaugen …

Genau, Schulze, rot. Ein toter Heino sozusagen.

Wie bitte? Wollen Sie mich verarschen. Erstens ist die Leich nicht mehr frisch, und zweitens weiß ich natürlich nicht, ob das jetzt ein Einheimischer, ein Türke oder ein Piefke is.

Meine Güte, Schulze! Sind S’ nicht so empfindlich. Sagen S’ halt Ösi zu mir. Und jetzt erklären Sie mir bitte, wie ich wissen soll, wo der Kerl her is? Glauben S’, Ihr Preußen riechts zwischen den Haxen alle nach Currywurst und wir nach Käsekrainer? Nach dem Aussehen darf man ja heutzutage schon überhaupt nicht gehen. Ich kenn einen, den Dorian Stegmüller, der schaut aus wie ein lupenreiner Chines, und wenn der sein Fischmaul aufreißt, klingt das, als wohnt der seit drei Generationen im sozialistisch geförderten Gemeindebau …

Fischmaul! Was heißt, Sie wollen so was nicht hören? Is Ihnen das zu ungesittet, zu rechtsradika…

Soll ich Ihnen sagen, wie wir hierzulande die Geschichte aufarbeiten: 30 Prozent aller Wähler denken hochoffiziell so wie ich. Inoffiziell könnten wir allein regieren. So ein verreckter Zuwanderer, übrigens, Schulze, sind das bei uns im Schwergewicht ihre Landsleute, drückt mir also kein Wasser ins Aug. Das sind nur Sandkörner, verstehen Sie, San…

Ja, rote Augen hab ich gesagt.

Wie bitte! Ich soll auf seine Apferln drücken! Sie sind ja krank.

Also gut. Moment.«
    »Kogler! Sag, Kogler, hörn Sie mich? Nur, weil ich telefonier, müssen Sie ja jetzt geistig nicht komplett auf Notstrom unterwegs sein. Also, fahren S’ ihm ins Aug.
    Sie sollen mich nicht anschauen wie eine Schaufensterpuppe, sondern der Leich ins Aug fahren, kapiert.«
    Seelenruhig streift Gerhard Kogler einen Gummihandschuh über und nähert sich vorsichtig dem Toten. Dann bohrt sich ein Zeigefinger in die besagte Stelle und zuckt ebenso wie der danebenstehende Josef Krainer ruckartig zurück.
»Ahhh. Herrschaftszeiten, hab ich mich jetzt erschreckt. Das ganze Aug is rausg’hupft. Schulze, hören Sie mich. Das ganze Aug!«
    Nur eine vollständige Umdrehung reicht, und wohl jeder hier weiß, worum es sich handelt. Kurz war es zu sehen, das Konterfei jenes nie erwachsen gewordenen Mannes, durch dessen Werk und Hinterlassenschaft diesem Globus eine Ahnung des Göttlichen geschenkt wurde. Und das betrifft ausschließlich seine weltumspannende Musik. Für jenen Exportschlager nämlich, der dem Toten gerade aus dem Auge gesprungen ist, für jene in Folie verpackte Verunglimpfung seines Namens hätte es sich selbst beim ansonsten so humorigen Wolferl Amadeus mit dem Spaß aufgehört: Gülden, mit einer leichten Röte und Körnung überzogen, als wäre er zwecks Panierens ein wenig in Bröseln gewälzt worden, liegt der kleine Ball im Sand.
»Schulze, was is das bitte für eine kranke Aktion? Wer reißt einem Toten das Aug raus und steckt ihm eine Mozartkugeln rein, und dann nicht einmal die originalen, sondern die Maschinenimitate. Entwürdigend ist das. Da vergeht einem der Appetit, abartig das Ganze, richtig abarti…

Was ich grad im Mund hab? Mein Frühstück, Schulze, mein Frühstück: ein Butterkipferl. Zum Glück is es frischer als die Leich …«

Beten und Treten
    »Schlafen, nur noch schlafen«, schießt dem Metzger angesichts der unmittelbar vor seinen Augen auf ihn gerichteten Waffe der Gedanke durch den Kopf. Und weit hergeholt ist er nicht, dieser Wunsch nach dem alles erlösenden Schlummer. Erstens ist der Schlaf in Situationen großer Bedrohung der schnellstmögliche, in Willibalds Fall allerdings nur kreisförmige Fluchtweg, denn 1:1 entspräche der Start dem Ziel, und zweitens hat er ja nicht nur psychisch, sondern auch physisch allen Grund,
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