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Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Thomas Raab
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Erscheinungsbild in Zusammenhang stand, über sich ergehen lassen, musste Rolltreppe fahren, eine kurze, enge Treppe hochsteigen und einen ebensolchen Gang durchqueren.
    Schließlich aber wurde ihm nach Öffnen einer Schiebetür mit fast mystischer Langsamkeit die Haube vom Kopf gezogen. Es dauerte ein Weilchen, bis sich seine Augen an das Neongeflimmer gewöhnt hatten, dann sah er seine strahlende Danjela neben, einen beschämten Petar Wollnar vor und eine geschlossene Zelle um sich, sah zum Fenster hinaus und sah, nein, spürte seinen Darm ein paar Zusatzwindungen einlegen.
    »Um Gottes willen, ist das hier ein Zugabteil?«, entkam es ihm leichenblass, wenngleich es in diesem Moment natürlich nur um einen Willen ging: um den seiner Holden. Ist ja auch ein himmelaltes Lied: Das Freudespenden kennt keine größere Freude als die des Freudespenders – wenigstens in den Himmel ging es nicht: »Happy birthday!«, frohlockte Danjela, während Petar Wollnar das Weite suchte.
    »Aber, aber, mein Geburtstag ist längst vorbei«, stammelte der Metzger, und dann schoss sie ihm durchs Hirn, die Klarheit, denn alles an diesem sechs Monate zurückliegenden 23. Jänner, seinem Geburtstag, folgte einem Plan, allerdings nicht seinem. Warum sollte es jetzt also anders sein.

    Seiner nämlich lautete: »Was bitte unterscheidet einen Fünfziger von jedem anderen stinknormalen Tag? Maximal die Tatsache, wieder ein bisserl länger überlebt zu haben, das ist dann aber schon alles. Ich werde also wie immer in meiner Werkstatt arbeiten, und im Anschluss gehen wir essen, Punkt!«
    Zwar verbrachte er seinen Geburtstag wie gewünscht in der Werkstatt, nahm unzählige telefonische Gratulationen entgegen, hörte sich diverse Rügen an à la »Und du machst wirklich kein Fest, schade!« und musste, wie von Danjela mit dem Argument »Willst du stinknormale Tag, na, dann bekommst auch stinknormale Tag!« gefordert, nach Geschäftsschluss mit einer ihm überreichten monströsen Einkaufsliste die Zweigstelle einer Lebensmittelkette aufsuchen. Die erstandene Ware in den Kühlschrank einsortieren durfte er zu Hause dann allerdings allein, denn weder eine Menschen- noch eine Hundeseele war zugegen, nur ein Zettel: »Bin ich kurz bei Friseur. Hol ich dich wegen Essengehen um 19 Uhr ab in Werkstatt.«
    Also wieder zurück, gemütlich durch den verschneiten, gottverlassenen Park, über die Straße, vorbei an der Fensterscheibe seiner Werkstatt, hinein in den Hinterhof und durch die Hintertür in seine Wirkungsstätte. Dunkel war es, alles schien wie immer, bis auf den Geruch. Er kennt die Duftnote seines Gewölbekellers, das hölzerne, nussige, etwas süßliche Aroma. An diesem Abend aber lag eine Spur zu viel der Süße in der Luft.
    Dann ging alles sehr schnell. Ohne vom Metzger eingeschaltet worden zu sein, erhellte Licht, erfüllte Musik den Raum, und auch Willibalds Geist wurde eine Einsicht zuteil: Jede der ihm am heutigen Tag erteilten Rügen war nichts anderes als ein Ausdruck reinster Hintertriebenheit. Ein lautstarkes »Happy birthday!« durchschnitt das Gewölbe der Werkstatt, und alle waren sie da, wirklich alle:
     
seine große Liebe Danjela Djurkovic samt Hündchen Edgar,
die Witwe seines ehemaligen Freundes Kommissar Pospischill, Trixi Matuschek-Pospischill, samt Willibalds zweiter großer Liebe, ihrem bald zweijährigen Töchterchen Lilli,
die hochschwangere Ex-Herrin der Mordkommission Irene Moritz samt ihrem untergebenen Arbeitskollegen und Lebensgefährten, also ihrem untergebenen Lebensgefährten Gerhard Kogler,
seine Halbschwester Sophie Widhalm mit ihrem Herzbuben und Feuerwehrhauptmann Toni Schuster
und sein einzig wahrer Freund, der wortkarge, grundehrliche Hausmeister Petar Wollnar. Wie ein scheues Rehkitz stand er in einem Winkel, den Blick zu Boden gerichtet.
    Er hätte also gewarnt sein müssen, der Metzger.
    Zugegeben, wie sie da so alle vor ihm standen und ein Geburtstagsliedlein sangen, rührte ihn der ganze Aufmarsch dann doch. Durchaus Worte des Dankes entwichen seinen Lippen, allerdings nicht ohne zuvor mit schelmischer Miene jedem Mitglied des versammelten Jubelchors betrügerische Absichten und ein hundsgemeines schauspielerisches Talent attestiert zu haben, die kleine Lilli natürlich ausgenommen.
    Als Antwort auf diese nett gemeinte Beschimpfung wurde eine mächtige Torte aufgetragen, auf einen Tisch, dessen Tischtuch bis zum Boden hing, gestellt, und dann, ja dann kam es zu dem für solche Anlässe offenbar
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